Südwest Presse: KOMMENTAR · WINTERKORN

Gefallener Riese

Gefeiert, gefallen, geschasst – selten hat sich der Absturz eines
Spitzenmanagers so rasant, so gnadenlos vollzogen. Vergangene Woche
noch strahlte der Stern von Martin Winterkorn auf der IAA nahezu
makellos, die Vertragsverlängerung des 68-Jährigen war ausgemachte
Sache. Seit gestern wird sein Name nur noch mit dem Dieselskandal und
dem Niedergang eines Weltkonzerns in Verbindung gebracht. Es fällt
schwer, sich all denen anzuschließen, die diese Entwicklung
eigentlich schon immer geahnt hatten und nun – endlich – den Weg für
einen Neuanfang bei VW frei sehen. Unter Winterkorns Führung wurde
Volkswagen zum größten Autobauer der Welt, Aktionäre sind durch den
Erfolg der Wolfsburger reich geworden, mit Marken wie Audi und
Porsche stand der Konzern an der Spitze der technologischen
Entwicklung. Doch der beinahe manische Wille zur Größe ist dem
Perfektionisten Winterkorn letztlich zum Verhängnis geworden. Ein
Konzernlenker, der bei elf Millionen manipulierten Automobilen davon
spricht, er sei „fassungslos“ über die Vorgänge in seinem Haus und
sich keines „Fehlverhaltens“ bewusst, hat entweder sein Unternehmen
nicht im Griff oder er lügt. Beides sind hinreichende Begründungen
für einen Rücktritt, aber kein Grund zu Mitleid. Für Volkswagen gilt
deshalb nun dasselbe wie für seine Modelle: Der Trend heißt kleiner,
wendiger, lenkbarer. Die Tage des Welt-Superkonzerns sind gezählt.

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Ulrike Sosalla
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