Südwest Presse: KOMMENTAR · WULFF

KOMMENTAR · WULFF

Gnadenlos Jetzt denke ich einmal laut.“ Mit Sätzen wie diesem
beginnen etliche jener „Rechtsgespräche“, in denen Gerichte kundtun,
was sie streng genommen vor dem Urteil nicht kundtun dürften: dass
ein Prozess zu keinem sinnvollen Ergebnis führt; dass sich die
Vorwürfe nicht beweisen lassen; dass es vielleicht besser gewesen
wäre, den ersten Schuss des Gefechts nie abgegeben zu haben. Die
Zwischenbilanz des Vorsitzenden Richters Frank Rosenow in der Causa
Wulff gehört in diese Kategorie. Es ist zu spät. Das Landgericht
Hannover wird um ein Urteil nicht herumkommen. Denn der ehemalige
Bundespräsident Wulff und seine Ankläger wollen keine praktische
Lösung. Sie wollen es wissen. Schon einmal hat Wulff die Einstellung
des Verfahrens abgelehnt. Weshalb sollte er nun anders handeln?
Gerade jetzt, wo er nach Rosenows Einlassungen zu Recht Morgenluft
wittern darf? Es war richtig, Wulff anzuklagen, alleine schon, um
jeglichem Vorwurf der Promi-Schonung und Mauschelei entgegenzutreten.
Dass nun Wulff seine Unschuld beweisen will, ist sein gutes Recht. So
wie es die Pflicht der Staatsanwälte ist, sich an den letzten
verbliebenen Vorwurf zu klammern. Zu glauben, dank dieser allseitigen
Hartnäckigkeit käme so etwas wie die Wahrheit ans Licht, wäre jedoch
ein Fehler. Denn egal ob am Ende Freispruch oder Verurteilung steht:
Beide Seiten werden Rechtsmittel einlegen – ohne Aussicht auf
weiteren Erkenntnisgewinn. Eine Einstellung hätte das verhindert.
Doch allen geht es längst um die Ehre. Da sind sie gnadenlos – wie
beim Armdrücken auf dem Oktoberfest, auf dem diese Affäre einst ihren
Anfang nahm.

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Südwest Presse
Ulrike Sosalla
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