Südwest Presse: Kommentar zu Ägypten

Ägypten bricht zusammen. In knapp einer Woche
verwandelte sich der arabische Musterschüler in puncto Stabilität in
ein brodelndes Chaos. Sechs Tage ringt das Volk nun schon mit seinem
verhassten Pharao, der sich stur und starr an seinen Thron klammert.
30 Jahre umnebelt vom Weihrauchdunst seiner Höflinge, vermag der
greise Diktator nicht mehr zu begreifen, dass seine Zeit abgelaufen
ist. Stattdessen agiert Hosni Mubarak als Todesengel am Nil, der
lieber alles mit sich in den Abgrund reißt, als seinem Volk Freiheit
zu geben. Seine Polizei schießt auf mutige Demonstranten, tausende
seiner Berufsschläger aus der Staatssicherheit ziehen plündernd durch
Geschäfte und Wohnungen. Die Polizei aber schaut zu und lässt
scharenweise Kriminelle laufen, damit sie sich nach Kräften an dem
großen Zerstörungswerk beteiligen. Noch ein letztes Mal will sich der
todkranke 82-Jährige offenbar an seinem undankbaren Volk rächen,
bevor er selbst in sein Grab sinkt. Ägyptens Revolution, die so
mutig, fröhlich und friedlich begonnen hat, könnte in Mord und
Totschlag versinken. Chaos regiert auf den Straßen. Und nachts machen
die Schergen des Regimes nach Belieben Jagd auf die eigene
Bevölkerung. Doch die Menschen sind entschlossen, sich ihr stolzes
Werk der Selbstbefreiung nicht entringen zu lassen. Am Tag
protestieren sie gegen den Diktator und nachts verjagen sie in den
Straßen dessen Plünder-Kommandos.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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