Südwest Presse: Kommentar zu Guttenburg

Respekt. Eine Woche zu spät, aber mit der Offenheit
und Natürlichkeit, die ihn in kurzer Zeit zu einem der populärsten
deutschen Politiker der Nachkriegszeit werden ließ, hat Karl-Theodor
zu Guttenberg einen Schlussstrich gezogen. Er wendet damit weiteren
Schaden nicht nur vom Ministeramt ab, sondern auch von seiner Partei
und vom Ansehen der Politiker schlechthin. Es drohte durch das
Fehlverhalten eines ihrer herausragenden Vertreter weiter ramponiert
zu werden, hätte er nicht die fällige Konsequenz gezogen. Aber, mit
Verlaub: Dem einen oder anderen Dr. xy im Lande dürfte mulmig werden
beim Gedanken, seine Dissertation würde auf Punkt und Komma so
seziert wie jetzt die des Freiherrn. Der Sturz des Shootingstars der
Union lässt Bundeskanzlerin Merkel nicht unbeschädigt. Zum einen,
weil ihre Rolle in der Affäre gelinde gesagt dubios war. Sie hat,
wohl mit Blick auf zu Guttenbergs hohe Popularitätswerte, andere
Maßstäbe angelegt als notwendig. Es sei daran erinnert, mit welcher
Konsequenz dieselbe Kanzlerin etwa Günther Oettingers Fehlbewertung
der NS-Vergangenheit Hans Filbingers geahndet und ihn öffentlich
unter Druck gesetzt hat, als er sich uneinsichtig zeigte. In Sachen
Guttenberg ging ihr – ebenso wie CSU-Chef Seehofer – die angemessene
Entschiedenheit leider ab. Es wäre gerade gegenüber einem jungen
Minister ein Gebot der Fürsorge gewesen, ihn früher aus der
Schusslinie zu nehmen. Und nicht mit lapidaren Beschwichtigungen die
gesamte Wissenschaftsszene noch zusätzlich aufzubringen. Zum anderen
muss die Kanzlerin nun viel stärker persönlich geradestehen für die
Bundeswehrreform. Schon bei der Berufung eines geeigneten Nachfolgers
tut sie sich offenkundig schwer, denn natürlich muss der Proporz
zwischen den Koalitionspartnern gewahrt werden. Ob überhaupt jemand
in Guttenbergs Fußstapfen zu treten vermag bei der Umsetzung einer
der schwierigsten Reformen dieser Regierung in einem der
schwierigsten Ministerien überhaupt, muss derzeit mit einem
Fragezeichen versehen werden. Die Bundeskanzlerin und CDU-Chefin
dürfte auf dieser Baustelle noch mehr Arbeit bekommen, als ihr lieb
ist. Bedrückend an zu Guttenbergs Fall bleibt, dass die Politik
einstweilen einen verliert, der ihr, bei allem Hang auch zur eitlen
Selbstinszenierung, mit Klugheit, Spontaneität und Witz gut zu
Gesicht gestanden hat. Die vielen Repräsentanten des Mittelmaßes, die
sich nun die Hände reiben, werden den Verlust nicht ausgleichen.

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Lothar Tolks
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