Südwest Presse: Kommentar zu Schwarz-Grün

Der Ausflug der Hamburger Grünen ins bürgerliche
Milieu ist gescheitert. Über Schuld und Verantwortung werden die
Wähler im Februar entscheiden. Einfache Antworten sind wie immer
falsch. Dass die schwarz-grüne Koalition an der Alster gehalten
hätte, wenn CDU-Bürgermeister Ole von Beust nicht weit vor der Zeit
in sein privates Refugium auf Sylt geflohen wäre, darf bezweifelt
werden. Die beiden Parteien waren sich – persönlich und
programmatisch – von Anfang an nicht so nah, wie sie nach außen
beteuerten. Daher galt die Premiere dieses Bündnisses bei kritischer
Betrachtung denn auch weniger als Projekt oder Modell mit
bundesweitem Vorbildcharakter, sondern als lokales Experiment und
Abenteuer. Das vorrangige Interesse der Hamburger Union nach dem
Verlust der schwarz-gelben Regierungsmehrheit vor zweieinhalb Jahren
war der Machterhalt. Daher fand Ole von Beust natürlich nichts dabei,
sich zu diesem Zweck mit den Grünen einzulassen, schließlich hatte er
zu Beginn seiner Amtszeit sogar den zwielichtigen Rechtspopulisten
Ronald Schill ins Boot geholt. Die CDU-Vorsitzende hat die
schwarz-grüne Liaison in der weltoffenen Hafenstadt 2008 mit einem
aufmunternden Augenzwinkern begleitet. Angela Merkel stand vor einem
schwierigen Bundestagswahljahr, warum sollte sie da auf eine
Erweiterung taktischer Optionen für die Union verzichten? Einstweilen
blieb der vermeintliche Tabubruch auf ein überschaubares Bundesland
beschränkt, die Konsequenzen für Berlin waren beherrschbar. Als
Naturwissenschaftlerin bevorzugt die pragmatische Bundeskanzlerin
auch in der Politik die Methode von Versuch und Irrtum. Nun hat
Angela Merkel allerdings mehr getan, als sich den hanseatischen
Laborversuch ideologiefrei aus der Distanz anzuschauen. Man muss
sogar sagen, dass sie den Bruch von Schwarz-Grün befördert hat durch
gezielte Äußerungen auf dem jüngsten CDU-Parteitag in Karlsruhe und
in der Haushaltsdebatte des Bundestages. Sie ist auf Konfrontation zu
den Grünen gegangen und hat Koalitionen mit dieser „Dagegen-Partei“
als „Illusion“ oder „Hirngespinst“ abgetan. Das war die Aufforderung
an die Hamburger Grünen, eine Allianz zu beenden, die nach dem Urteil
der Kanzlerin einfach nicht in die parteipolitische Landschaft dieser
Zeit passt. Doch Vorsicht! Ein solches Maß an Unaufrichtigkeit dürfen
wir der CDU-Chefin nicht durchgehen lassen. Niemand zweifelt nämlich
daran, dass die Union selbstverständlich um die Grünen buhlen wird,
wenn es bei den mindestens sieben Landtagswahlen im nächsten Jahr für
andere Konstellationen nicht reicht. Und gerade Angela Merkel dürfte
nicht zögern, im Herbst 2013 die schwarz-grüne Karte zu ziehen,
sofern sie nur dann Bundeskanzlerin bleiben kann. 2005 nahm sie die
SPD, 2009 die FDP – was sollte sie hindern, es in drei Jahren mit dem
dritten Partner hintereinander zu versuchen? Hauptsache,
„Teflon“-Angela behält ihr Amt. Schwarz-Grün ist also keineswegs
passé, weder als kurzfristige Option in den Ländern noch als
mittelfristige Perspektive im Bund. Freilich zeigt Hamburg, dass die
Parteien selbst, also deren Basis und Funktionäre, nicht auf ähnliche
Weise wendig sind wie ihr Spitzenpersonal. Wer bisherige Grenzen
überschreiten oder bestehende Lager auflösen will, muss das besser
begründen als mit bloßem Machtkalkül. Die Grünen als
Mehrheitsbeschaffer der CDU? Das konnte nicht klappen. Gerade noch
rechtzeitig haben die Hamburger Alternativen erkannt, welches Risiko
sie da eingegangen sind. An der Seite der regierenden Merkel-CDU
wächst man nicht. Das hat schon die SPD schmerzlich erfahren, und die
FDP lernt diese Lektion jetzt seit über einem Jahr.

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Lothar Tolks
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