Südwest Presse: Kommentar zum EU-Gipfel

Im Verlauf der Banken- und Schuldenkrise hat sich
Angela Merkel auf der europäischen Bühne schon mehrfach in einer
Situation befunden, die von ihren Kritikern als unrühmlich, von ihren
Anhängern dagegen als ehrenhaft empfunden wurde: allein gegen (fast)
alle. Die Kanzlerin war gegen die Griechenland-Hilfe, gegen die
Ausweitung des Euro-Rettungsschirms, gegen staatliche
Wachstumsförderung. Ehe sie in allen diesen Konflikten endgültig in
die Isolation geriet, gab die „Eiserne Lady“ aus Berlin ihre
Blockadehaltung allerdings auf. Man darf deshalb gespannt sein, wie
stur Angela Merkel im aktuellen Streit um die Zukunft der EU an ihrer
Position gegen eine gemeinsame Schuldenhaftung festhält. Es verstärkt
sich in Brüssel und bei einigen ihrer Amtsbrüder vor allem im Süden
des Kontinents der Eindruck, dass es der Kanzlerin im Vorfeld der
nächsten Bundestagswahl vordringlich um eigene Interessen geht,
weniger um notleidende Partnerländer. Dabei wäre gerade in dieser
Schicksalsstunde Europas ein hohes Maß an Übereinstimmung und
Gemeinschaftsgeist nötig. Die Krise bedroht nicht bloß die Peripherie
der Union, sondern auch ihren bislang so starken Kern. Es wäre fatal,
setzte die Bundeskanzlerin beim heutigen Gipfel auf Konfrontation um
jeden Preis. Scheitert der Euro, dann scheitert Europa, hat Angela
Merkel gesagt. Wenn das gilt, muss sie zu ihrer Verantwortung stehen
– über Deutschlands Grenzen hinaus.

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Lothar Tolks
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