Man kann Angela Merkel und ihrer Koalition keine
Feigheit vor ihren Gegnern vorwerfen. Immerhin legt sich die
Bundesregierung auf eine beträchtliche Verlängerung der Laufzeiten
von Atommeilern fest – einige der heute noch 17 Kraftwerke könnten
bis zum Jahr 2050 und darüber hinaus in Betrieb sein. Das eröffnet
nicht nur der parlamentarischen Opposition die Chance, auf
Konfrontationskurs zu Schwarz-Gelb zu gehen. Auch die
Anti-Atombewegung, die nach dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss des
Jahres 2000 weitgehend ruhiggestellt war, wird wieder auf den Plan
gerufen. Die Bundesregierung beweist mithin auf dreifache Weise Mut
zum Risiko. Sie setzt weiter auf eine Technologie, deren
Störanfälligkeit ebenso problematisch ist wie die unverändert
ungeklärte Endlagerfrage. Sie wagt eine höchstrichterliche
Entscheidung über die Frage, ob der Bundesrat beim Ausstieg aus dem
Ausstieg mitreden darf. Und sie lässt es auf eine Machtprobe mit
einer Gesellschaft ankommen, deren Mehrheit längst ihren Frieden mit
dem Ende der Kernenergie in Deutschland geschlossen hatte. Eine
Kanzlerin, die sich was traut – wer hätte das gedacht. Ob Union und
FDP nun aber auch einig und entschlossen genug sind, um ihr
Energiekonzept für die nächsten vier Jahrzehnte gegen alle
Widerstände durchzusetzen, bleibt ungewiss. Der Herbst der Wahrheit
kommt erst noch.
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