Deutlicher geht es nicht: Zum zweiten Mal binnen 13
Monaten hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
Deutschland verurteilt, weil die Praxis der Verwahrung als gefährlich
eingestufter Täter in wesentlichen Teilen gegen die Europäische
Menschenrechtskonvention verstößt. Dass das Gericht nicht nur seine
bekannte Haltung zur Aufhebung der Zehn-Jahres-Höchstgrenze bestätigt
hat, sondern in einem der Fälle klar herausstellt, dass deutsche
Gerichte die gebotene Trennung zwischen Haft und Psychiatrie
verwischt haben, ist ein Wink mit dem Zaunpfahl: Auch das seit dem 1.
Januar geltende „Therapieunterbringungsgesetz“ dürfte in Straßburg
keine Gnade finden. Aus deutscher Binnenperspektive gesehen schlagen
die Wellen nun hoch, weil mit ziemlicher Sicherheit wieder einige
Männer auf freien Fuß gesetzt werden müssen, die viele Menschen
lieber hinter Gittern sehen würden. Übersehen wird dabei leicht: Die
deutschen Behörden hätten sie längst freilassen müssen – spätestens
nach der ersten Klatsche aus Straßburg im Dezember 2009. Doch anstatt
den Pflichten nachzukommen, die die Bundesrepublik mit der
Unterzeichnung der Menschenrechtskonvention eingegangen ist, ist die
Rechtspolitik offensichtlich darauf bedacht, die Vorgaben aus
Straßburg zu unterlaufen. Deutsche Politiker schieben den Schwarzen
Peter den Gerichten, die in jedem Einzelfall über die Entlassung der
Täter entscheiden müssen, zu, anstatt die Gesetzeslage
internationalem Recht anzupassen. Deutschland hat schon jetzt ein
Glaubwürdigkeitsproblem – und es wird mit jeder weiteren Verurteilung
wachsen.
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Lothar Tolks
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