Südwest Presse: Kommentar zum Thema Zwangsheirat

Und die Politik bewegt sich doch. Mit ihrem Vorstoß
zur Zwangsheirat hat sich das Bundeskabinett auf die Realität
zubewegt und die Position der Opfer gestärkt. Die Lage von
„Ferienbräuten“ wird weder durch den neuen Straftatbestand verbessert
noch durch das mit maximal fünf Jahren gleichgebliebene Strafmaß für
Eltern, die ihre Kinder gegen deren Willen verheiraten. Es ist das
ausgeweitete Rückkehrrecht, das ihnen hilft. Zwangsheiraten gibt es –
auch wenn sie in Deutschland kein Massenphänomen sind. Doch immer
wieder kehren Schülerinnen nach den Ferien im Heimatland der Eltern
nicht nach Deutschland zurück. Sie wurden verheiratet und an die
Familie des Ehepartners abgegeben. Aus diesem familiären Gefängnis
können sich nicht viele befreien – schon gar nicht in der Zeit, die
ihnen der Gesetzgeber bisher zugestanden hat. Sechs Monate nach ihrer
Ausreise verlieren derzeit Mädchen und Jungen, die in Deutschland zur
Schule gegangen sind, ihr Recht auf Rückkehr. Das wird sich nun
ändern. Schade nur, dass diese Verbesserung durch eine
Verschlechterung beim ehegattenunabhängigen Aufenthaltsrecht getrübt
wird. Nachvollziehbar ist, dass sich der deutsche Staat vor
Scheinehen schützen will. Dass er dies auf dem Rücken derjenigen tut,
die ehelicher Gewalt ausgesetzt sind und ihr künftig erst nach
dreijähriger Leidensfrist entkommen können, aber nicht. Auf den
verbesserten Opferschutz fällt damit ein Schatten.

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Lothar Tolks
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