Südwest Presse: Kommentar zur Bahn

Viele Berufspendler hatten gestern große Mühe, ihren
Arbeitsplatz zu erreichen, weil durch den Bahn-Streik Nahverkehrszüge
ausfielen oder zu spät kamen. Sie müssen sich wohl darauf einstellen,
dass dies in nächster Zeit häufiger vorkommt. Denn die Gemengelage
ist schwierig: Es geht weniger um eine Lohnerhöhung als um
einheitliche Tarifverträge für alle Bahngesellschaften. Da sind die
Interessen sehr unterschiedlich. Die Deutsche Bahn wäre begeistert,
wenn sie möglichst bald zustande kämen. Denn der Staatskonzern hat
schon 20 Prozent des Nahverkehrs an private Konkurrenten verloren.
Regelmäßig gewinnen sie die Ausschreibung von Strecken, weil sie
deutlich geringere Preise bieten. Dafür sind die Lohnkosten der
entscheidende Faktor, denn sie sind der größte Kostenblock. Die
Privaten zahlen bis zu 20 Prozent weniger als die Deutsche Bahn. Die
kann sich nur wehren, indem sie Tochtergesellschaften gründet, die
nicht an ihre Tarifverträge gebunden sind. Die Dummen sind also die
Beschäftigten. Im Grunde ihres Herzens können die privaten
Konkurrenten gar nicht daran interessiert sein, diesen Kostenvorteil
herzugeben, auch wenn sie offiziell etwas anderes sagen. Andererseits
sind die Gewerkschaften nur zu gut zu verstehen: Ihre Mitglieder
erwarten, dass gleiche Arbeit auch gleich bezahlt wird, egal ob der
Arbeitgeber Deutsche Bahn, Arriva, Benex, Veolia oder sonstwie heißt.
Diese geraten durch Streiks unter Druck, schon weil die Länder hohe
Zuschüsse für den Nahverkehr zahlen und dafür erwarten, dass die Züge
auch fahren. Das ist eigentlich eine klassische Situation für einen
Schlichter – auch im Interesse der Fahrgäste.

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Südwest Presse
Lothar Tolks
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