Der Ton war schrill geworden in den letzten Tagen.
EU-Kommissarin Viviane Reding hatte die Roma-Ausweisungen mit
Deportationen während des Zweiten Weltkrieges verglichen und
Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy hatte Deutschland bezichtigt,
ebenfalls Roma-Lager zu räumen. Gestern sorgte die EU-Kommission für
Abkühlung. Nüchtern konstatierte sie, dass das Pariser Vorgehen nicht
mit der Richtlinie zur Freizügigkeit vereinbar sei. Frankreich hat
jetzt eine letzte Chance, um nachzubessern. Die Grande Nation täte
gut daran, diese Möglichkeit zu nutzen. Denn die medienwirksam
inszenierten Gruppenausweisungen der Roma und das anschließende
Gezänk mit Brüssel haben arg an Frankreichs Ruf gekratzt. Lenkt Paris
nicht ein, hat Brüssel seit dem gestrigen Tag keine andere Option
mehr übrig, als tatsächlich rechtliche Schritte einzuleiten. Insofern
hat die Kommission eine weise Entscheidung getroffen. Zunächst wurde
eine weitere Eskalation des Streits abgewendet. Dennoch: Als Hüterin
der EU-Gesetze muss die Behörde in Zukunft härter durchgreifen. Der
Lissabonvertrag hat ihr weitere Kompetenzen zugesprochen, diese
müssen Präsident José Manuel Barroso und Co. nun auch einfordern.
Letztlich ist der Streit auch Ausdruck des Kompetenzgerangels: Die
Mitgliedsstaaten sind nicht dazu bereit, mehr Macht an Brüssel
abzugeben. Die EU-Kommission darf sich das nicht gefallen lassen.
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Südwest Presse
Lothar Tolks
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