Der Streit, der da zwischen Europaparlament und dem
Rat der nationalen EU-Regierungen vorgeblich über den Etat 2011
ausgefochten wird, hat durchaus grundsätzlichen Charakter. Es dürfte
manchem Volksvertreter in Straßburg mit Schaudern in diesen Tagen
klar geworden sein, dass der 2007 besiegelte Vertrag von Lissabon,
der dem Parlament mehr Rechte einräumt, mit den Regierungen, die
mittlerweile in Großbritannien, den Niederlanden, Schweden und Ungarn
im Sattel sitzen, so nicht zustandegekommen wäre. Man trägt wieder
Europa-Skepsis – vor dem Hintergrund der Schuldenkrise, in die sich
einige Mitgliedsländer manövriert haben und vor dem Hintergrund der
in den meisten EU-Staaten alles andere als rosigen
Wirtschaftsaussichten ein besorgniserregender Zustand. Denn wer
seiner Bevölkerung verspricht, ohne die EU sei die Malaise besser zu
bewältigen, der würde auch einem Seekranken raten, zur Behebung
seines Übels doch einfach über Bord zu springen. Argumenten jedoch
sind die nationalistischen Populisten so wenig offen wie viele
persönlich Betroffene der Krisen. Emotionale Gegengewichte, Projekte,
die die Begeisterung für die europäische Idee neu entfachen, sind
nicht in Sicht. Der Streit über den Haushalt 2011 könnte deshalb
Vorbote sein für weitere Auseinandersetzungen über eigentlich
Selbstverständliches. Denn Europa wird derzeit nicht nur von seinen
Gegnern gebremst, sondern auch vom mangelnden Enthusiasmus seiner
Befürworter. Besonders die Regierungen in Berlin und Paris, oft der
Motor der EU, haben ein ausgesprochen taktisches Verhältnis zur
Europäischen Union.
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Lothar Tolks
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