Südwest Presse: Kommentar zur Euro-Krise

Zeiten der Krise sind Zeiten der Propheten, der wahren
ebenso wie der falschen. In das anschwellende Klagelied über
Griechenland, Irland oder Portugal mischen sich vermehrt Bedenken,
dass die europäische Gemeinschaftswährung keinen Bestand haben wird.
Ökonomisch unterfüttern lässt sich dies mit Leichtigkeit. Die
Schwierigkeiten der Schuldenstaaten sind so groß, dass es einfacher
ist, den Zusammenbruch zu beschreiben als die Rettung. Es ist in der
Tat kein Königsweg aus der Schuldenkrise sichtbar. Der Rettungsschirm
ist nichts anderes als ein Sauerstoffzelt – er hält den Patienten
stabil und verschafft Zeit für die Therapie. Ob und wie sie gelingen
wird, ist noch unsicher. Mit größter denkbarer Sicherheit aber lässt
sich sagen: Der Ausstieg aus dem Euro zählt nicht zum Reha-Programm
der europäischen Staatengemeinschaft. Die Rückkehr zu den alten
nationalen Währungen könnte zwar die ökonomischen Ungleichgewichte
besser austarieren. Einige Krankheiten ließen sich so besser besiegen
– aber nur für den Preis, dass weit Wichtigeres tot wäre. Man muss
nicht an die große Idee der europäischen Einigung erinnern, die
Frieden und nach dem Fall des Kommunismus auch Freiheit und mehr
Wohlstand in Osteuropa gebracht hat. Auch aus rein wirtschaftlicher
Sicht ist der Euro-Ausstieg, ob in Gänze oder auch nur in Teilen,
unvorstellbar. Die Länder würden ihre Währungen wieder als Waffe um
wirtschaftliche Macht einsetzen. Dies riefe Gegenreaktionen hervor,
Zollschranken und Abschottungen wären die Folge. Die schwachen
Währungen sähen sich weitgehend hilflos den Kapitalmärkten
ausgesetzt. Eine starke Währung aber ist eine Wagenburg. Das künftige
Europa, das sich unlängst darauf eingeschworen hat, zur ökonomischen
Weltmacht von Wettbewerb und Dynamik aufzusteigen, kann so nicht
aussehen. Gerade verschieben sich die ökonomischen Gewichte auf dem
Globus in atemberaubender Weise, wirtschaftliche Macht löst immer
mehr militärische Stärke als strategische Option ab, und die
Globalisierung ist nur ein anderes Wort für den unaufhaltsamen
Bedeutungsverlust von Strukturen, die auf staatliche und
wirtschaftliche Abgrenzung abzielen. In einer solchen Welt wäre der
Zusammenbruch des Euro nachgerade ein katastrophales Signal. So
unausgereift die Europäische Union und der Euro auch sein mögen – es
ist letztlich der schiere Erfolg, der ihn bedroht: seine Ausweitung
auf mehr Mitglieder unterschiedlicher Leistungsstärke. Was politisch
gewollt und auch wirtschaftlich vorteilhaft ist, kann es nicht gratis
geben. Eine Gemeinschaft muss getragen sein vom Geist gegenseitiger
Hilfe. Deshalb ist die EU eine Transfergemeinschaft. Doch eine
Transferunion ist besser als gar keine Union. Für die Schuldenkrise,
die jetzt zu meistern ist, gibt es keine Blaupause. Wohl aber sind
die Instrumente richtig erkannt und benannt: zuerst der
Rettungsschirm, später ein Verfahren, das eine organisierte Insolvenz
von überschuldeten Staaten ermöglicht und dabei auch von den privaten
Anlegern Forderungsverzicht verlangt. Und begleitend dazu die
Anstrengungen der Länder, ihre Schulden abzutragen und ihre Haushalte
in Ordnung zu bringen. Spätestens hier wird es für die Bürger
hässlich: Sparen ist immer Sozialabbau, die Reaktionen sind fast
immer politische Unruhen. Ob der Wille für diesen Kraftakt ausreicht,
ist ungewiss. Auch darf das Sparkorsett nicht so eng geschnürt
werden, dass es wirtschaftliches Wachstum abwürgt. Eine Sanierung mit
der Brechstange wird nicht gelingen. Der Weg von einer bedrohten
Währungsunion zu einer ausgereifteren Wirtschafts- und
Steuergemeinschaft erfordert beides: die harte Hand und das
Fingerspitzengefühl.

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Lothar Tolks
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