Südwest Presse: Kommentar zur Landtagswahl

Nun sieht es also tatsächlich so aus, als sollte
ausgerechnet im Musterländle, im Land von Daimler und Porsche zum
ersten Mal ein Grüner Ministerpräsident werden. Und es sieht
tatsächlich so aus, als sollte ausgerechnet der konservative Stefan
Mappus als der Regierungschef in die Annalen eingehen, der die
Hochburg der Konservativen nach 58 Jahren CDU-Regierung an Grün-Rot
verloren hat. Der 27. März 2011 taugt für die historische Dimension:
die Grünen auf dem Weg zur bürgerlichen Volkspartei und Sieger auch
in Rheinland-Pfalz. Die SPD verliert. Und die FDP? Sie gerät im
Stammland des Liberalismus an das Existenzminimum. Dass Mappus die
historische Niederlage nicht allein verantwortet, liegt auf der Hand.
Zwar wäre es nach Stuttgart 21 und Polizeieinsatz, nach Steuer-CD und
ENBW eng geworden. Aber 58 Jahre CDU-Regierung bedeutete für viele
Menschen im Land eben auch die höchsten Löhne, die geringsten
Arbeitslosenzahlen, die meisten Exzellenz-Universitäten und sehr viel
Lebensqualität. Wenn derart schwer wiegende Argumente nicht
verfangen, dann zeigt das nur, wie sehr politische Glaubwürdigkeit
und bundespolitischer Einfluss diese Landtags-Wahl geprägt haben.
Glaubwürdigkeit, weil man den Vertretern längerer Atomlaufzeiten mit
Mappus an der Spitze eine Art Läuterung nach Fukushima nicht wirklich
abgekauft hat. Weil umgekehrt die Anti-Atompolitik seit eh und je den
Markenkern grüner Überzeugungen bildet. Bundespolitischer Einfluss,
weil im schwarz-gelben Lager Bösartigkeiten und Wendemanöver zuletzt
immer unübersichtlicher wurden. Ein Wunder jedenfalls ist es nicht,
dass sich Wähler kopfschüttelnd abwenden, wenn direkt vor der Wahl
Altkanzler Helmut Kohl die Kanzlerin düpiert. Ihre Wende in der
Atompolitik sei irrational. Wenn der ehemalige
CDU-Verteidigungsminister Volker Rühe tönt, die schwarz-gelbe
Stimmenthaltung zum Libyen-Einsatz sei ein „Fehler von historischer
Dimension“. Wenn schließlich die konservative „Welt am Sonntag“ noch
am Wahltag die „hohe Kunst der Kehrtwende“ mit deutschen
Rettungs-Milliarden für Europas-Pleitekandidaten verbindet. Für
Baden-Württemberg ist die Niederlage von Schwarz-Gelb gewiss nicht
die von Mappus beschworene Katastrophe. Winfried Kretschmann und Nils
Schmid gelten als kompetente und verantwortungsvolle Politiker mit
Augenmaß und Hang zum Pragmatismus. Für das schwarz-gelbe
Führungs-Duo in Berlin hingegen brechen richtig schwere Zeiten an.

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