Südwest Presse: LEITARTIKEL · KLIMAGIPFEL

Ein Meilenstein

Weniger als notwendig, aber deutlich mehr als zu erwarten war: Die
Weltklimakonferenz in Paris hat einen dicken Meilenstein gesetzt.
Dieser Erfolg hat – wie stets – viele Mütter und Väter. Er gebührt
aber vornehmlich dem Geschick der französischen Gastgeber. Seinen
Diplomaten, voran Außenminister Laurent Fabius, ist es gelungen, die
Interessen kleiner Länder genauso zu respektieren wie die großer
Staaten. Das schuf ein Klima der Kompromissbereitschaft. Trotz zäher
Verhandlungen wollte schließlich keine Regierung die Verantwortung
für ein Scheitern auf sich nehmen. Das wichtigste Ziel des neuen
Vertrages: Ausstieg aus dem Verbrennen von Öl, Kohle und Gas im Lauf
dieses Jahrhunderts. Es bringt allen Lebewesen auf diesem Planeten
Vorteile: Weniger Schadstoffe in der Luft, vor allem in
Ballungsräumen; Erhalt von Ressourcen, deren bloßes Abfackeln
energetisch eine Dinosaurier-Technologie darstellt; Verzicht auf das
Aufreißen der Erdkruste und den Erhalt intakter Lebensräume; die
Erdatmosphäre nicht stärker aufzuwärmen, weil ein Großteil der
Energie ungenutzt verpufft – besonders im Straßenverkehr. Dass
Länder, die vom Verkauf dieser Rohstoffe leben, das Abkommen
mittragen statt es wie bisher zu blockieren, ist ein großer Erfolg.
Nun gilt es, diese Vorgabe global umzusetzen. Dass die
Industrieländer in der Pflicht stehen, ärmeren Nationen dabei zu
helfen, versteht sich fast von selbst. Ihr bisheriger Wohlstand
beruht auf dem Nutzen fossiler Energieträger und sie verfügen
inzwischen über die Technologie, sich aus anderen Quellen mit Wärme
und Strom zu versorgen und diese weitaus effizienter einzusetzen. Sie
profitieren daher am meisten von einer Energiewende im globalen
Maßstab. Ihre Aufgabe lautet jetzt: Zeigen, dass der Umstieg in ein
kohlenstoffarmes Zeitalter funktioniert. Sie müssen den Versuch
unternehmen, ärmeren Staaten den direkten Sprung in diese neue Ära zu
ermöglichen. Dass die Voraussetzungen in südlicheren geographischen
Breiten dafür günstiger sind, erleichtert dieses
Jahrhundert-Unterfangen. Gut angelegt sind die vom Jahr 2020 an
fließenden 100 Milliarden Dollar aber nur, wenn sie korruptionsfrei
den Menschen zugutekommen – egal, ob es sich um staatliche
Finanzmittel oder private Investitionen handelt. Dafür haben die
Geber Sorge zu tragen. Nur durch diese Umverteilung gelingt es, die
Bevölkerung ärmerer Staaten vom Erhalt ihrer Naturressourcen zu
überzeugen und sie durch das Entstehen zukunftsträchtiger
Arbeitsplätze vom Marsch in andere Weltregionen abzuhalten. Weitaus
komplizierter stellt sich das vereinbarte Regime zur Reduktion der
Treibhausgase dar. Ob durch freiwillige Ziele Erfolge zu erreichen
sind, muss sich erst noch erweisen. In einer Welt, in der produziert
wird, wo die Bedingungen am preiswertesten erscheinen und es so wenig
kostet, Waren quer über den Globus zu transportieren, stammt dieser
Instrumentenkasten der Regulierung aus dem vergangenen Jahrhundert.
Emissionen einer Nation korrekt zuzuordnen, dürfte eine Illusion
bleiben. Sie wird auch künftig eher zu Streit führen statt Gelder in
jene Energiewende-Projekte zu leiten, die den größten Effekt
erzielen. Dennoch: Der Pariser Klimavertrag ist ein Erfolg. 195
Staaten haben ein gemeinsames Ziel vereinbart und Weltinnenpolitik im
besten Sinn geschrieben. Darauf hat die Weltbevölkerung nach dem
Rio-Gipfel mehr als 23 Jahre warten müssen. Es wird höchste Zeit, dem
Meilenstein die Wegmarken dorthin rascher folgen zu lassen als
bisher. Instrumentenkasten stammt aus dem letzten Jahrhundert

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Ulrike Sosalla
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