Giftpfeile aus Bayern
Es ist ein typischer Satz der Bundeskanzlerin: „Jeder sollte die
Worte sehr wägen.“ So lautete die offizielle Antwort Angela Merkels
auf eine Reihe verbaler Unbotmäßigkeiten ihrer politischen
Verbündeten, die in der Ansage des CSU-Generalsekretärs Alexander
Dobrindt gipfelten, Griechenland werde schon 2013 die Euro-Zone
verlassen müssen. War das etwa ein Machtwort der CDU-Vorsitzenden,
wie es sogar von empörten Europa-Abgeordneten der Union gefordert
wurde? Eher nicht. Leidenschaftslos und abwartend reagierte die
Kanzlerin auch in diesem Fall mal wieder. Es bleibt vage, was sie
selbst über die Zukunft und das Schicksal des langjährigen
EU-Mitglieds denkt. So wird Angela Merkel die Geister, die ihr in der
Debatte um die europäische Schuldenkrise auf der Nase herumtanzen,
nicht los. Es ist ja nicht bloß der bajuwarische Stammtischler
Dobrindt, der mit Platzpatronen auf die amtliche Euro-Politik der
schwarz-gelben Bundesregierung feuert, nur halbherzig zurückgepfiffen
von seinem Boss Horst Seehofer. Auch FDP-Vizekanzler Philipp Rösler
und sogar CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder zündeln rhetorisch mit,
so dass der Eindruck entstehen kann, die Regierungschefin wolle sich
so lange wie möglich alle Optionen offenhalten – eine Währungsfamilie
mit oder ohne die Griechen. Am Ende der parlamentarischen Sommerpause
also nichts Neues in Berlin: Die Koalition bietet zu vielen Themen
einen dissonanten Chor, zur Energiewende, zum Betreuungsgeld, zur
Reform des Verfassungsschutzes, zur Homo-Ehe. Und die Frontfrau führt
nicht, sondern steuert einen unentschiedenen Mittelkurs auf kurze
Sicht. Ihre Kritiker werden einstweilen durch erstaunlich positive
Umfragen für die Kanzlerin in Schach gehalten. Merkel lässt die Hunde
bellen und zieht mit ihrer Karawane unbeirrt weiter, das einzig
erkennbare Ziel heißt: Wiederwahl im nächsten Jahr. Hat es nicht
schon Helmut Kohl auf ganz ähnliche Weise gehalten? Dass die
Demoskopen die Bundeskanzlerin persönlich hoch handeln, nicht aber
die drei Parteien ihres bürgerlichen Lagers in gleichem Maße, macht
besonders die CSU nervös. Was haben Seehofer und die Seinen davon,
dass Angela Merkel so beliebt ist wie nie, wenn ihnen bei der
Landtagswahl im Herbst 2013 erneut die eigene Mehrheit verwehrt wird
und obendrein die Liberalen als gerade noch geduldete Juniorpartner
abhandenkommen? Nur vor diesem Hintergrund sind die verzweifelten
Querschüsse des CSU-Generals zu erklären. Sinn machen sie allerdings
nicht, denn jeder aufgeklärte Zeitgenosse erkennt sofort ihr rein
taktisches Motiv. Außerdem birgt Dobrindts populistische Holzerei
gegen Athen das Risiko, als hinterhältiger Angriff auf das moderate
Krisenmanagement der Kanzlerin gedeutet zu werden und für Unmut
gerade bei den eigenen Stammwählern zu sorgen. Es ist das ewige
Problem der CSU, wenn sie im Bund mitregiert: Dann will sie immer
auch ein bisschen Opposition bleiben und der Parteischwester CDU die
Zähne zeigen, was nicht einmal dem legendären Franz Josef Strauß mit
durchschlagendem Erfolg gelungen ist. Passend dazu legt in diesen
Tagen Wilfried Scharnagl, langjähriger Chefredakteur des CSU-Organs
„Bayernkurier“, ein Buch mit dem Titel vor: „Bayern kann es auch
allein“. Als ernsthafte Drohung an die Adresse der CDU-Kanzlerin
dürfte das Werk kaum verfangen. Und doch kann Angela Merkel die
Kraftmeiereien aus München nicht achselzuckend ignorieren. Sie
vergiften das Koalitionsklima in Berlin und verhindern in der
Endphase dieser Wahlperiode, dass die Regierung die lange Liste
unerledigter Probleme in den nächsten Monaten wenigstens teilweise
noch abarbeiten kann.
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