Südwest Presse: LEITARTIKEL · OLYMPIA 2018

Lockruf des Geldes

Pyeongchang, ausgesprochen Piöngdschang, ist ein weiterer Schlag
ins Gesicht der Athleten, die nur alle vier Jahre ihre Chance auf
eine olympische Goldmedaille haben. Mit der Vergabe der Winterspiele
2018 an die Asiaten tauchen etliche Fragen auf. Es gibt zum Beispiel
aus Sicht der Alpinen keine plausiblen Antworten darauf, warum die
Südkoreaner Winterspiele ausrichten dürfen. „Sie haben ja nicht mal
eine würdige Abfahrt“, das ist der einhellige Tenor sämtlicher
Ski-Asse. Ganz zu schweigen von den Erfahrungen der Biathleten bei
der verkorksten WM 2009. Vom Wert der ach so gerühmten Nachhaltigkeit
erst gar nicht zu reden. Warum also ausgerechnet Pyeongchang? Der
Versuch einer Erklärung wie das IOC tickt: Gehen wir ins Jahr 1998
zurück, als Turin für 2006 den Zuschlag erhalten hatte: Warum wurden
seinerzeit die Winterspiele überhaupt an eine italienische
Industriestadt am Po vergeben, von der aus man die Berge im Dunst
häufig nicht mal schemenhaft sieht? Wieso entschieden sich die
IOC-Mitglieder dafür? Ein schwerwiegender Grund: Der Schweizer Marc
Hodler, mittlerweile verstorbenes IOC-Mitglied, hatte eine
Korruptionsaffäre ins Rollen gebracht. Er hatte ausgepackt, dass eine
Kandidatenkür mit Stimmenkauf funktioniert. Im Jahr darauf stand die
Vergabe der Winterspiele 2006 an. Das schweizerische Sion war klarer
Favorit, die Bewerbung der Eidgenossen erstklassig. Doch etliche
IOC-Mitglieder waren den Schweizern nicht mehr wohlgesonnen wegen der
Hodler-Attacke und mutierten zu Protestwählern. Turin erhielt den
Zuschlag. Angetrieben durch die Agnelli-Dynastie wurde der olympische
Traum zur Wirklichkeit und somit für viele zum Albtraum. Während der
Spiele gab es Baustellen rund ums Olympische Dorf in Sestriere,
unfertige Straßen, Dreck, knöcheltiefer Morast, Transport-Chaos,
häufig leere Tribünen, im letzten Moment verlegte Teppiche im nach
Schnellkleber riechenden Eisstadion Lingotto und, und, und. Hatten
die IOC-Mitglieder aus all den Missständen der Turiner Trauerspiele
gelernt? Nein. Schon die Vergabe 2014 an das russische Sotschi, das
durch viele Rubel eine Retorten-Winterolympiastadt an der
Schwarzmeerküste aus Mütterchen Erde stampft, gab die fatale Richtung
vor. Der Zuschlag für Pyeongchang, das sich zum dritten Mal beworben
hat, ist ein weiterer Rückschritt. Mit der Absage an München folgten
die IOC-Gewaltigen – wie schon so oft – dem Lockruf des Geldes.
Samsung, auch noch zufälligerweise Hauptsponsor beim IOC, ebnete wohl
wie einst Agnelli den Weg zum Olympischen Feuer für die Asiaten.
Bleibt nur die Hoffnung, dass dieses auch auf Sportler und Fans
überspringen möge. Abfahrer fahren sicher nicht auf Pyeongchang ab.
Geld kann Wege zu Olympia ebnen, aber eine „Garmischer Kandahar“
können auch noch so viele südkoreanische Won nicht herzaubern. Das
IOC hat wieder einmal nicht den besten und global gesehen ökologisch
tauglichsten Kandidaten ausgewählt, sondern abgestimmt mit durch
Dollarzeichen im Auge getrübtem Blick. Der im Wintersport
ungesättigte Markt in Asien bietet grandiose Möglichkeiten,
rekordverdächtiges Geld zu machen. Die Durban-Entscheidung war ein
Votum gegen die Wurzeln des Wintersports. München, das sich zum Ende
hin auch in den Grundstücksfragen geeinigt hatte, wird sich
wahrscheinlich für 2022 erneut bewerben. Sport-Polit-Genie Thomas
Bach, der wohl die Nachfolge des IOC-Präsidenten Jacques Rogge
antreten wird, könnte sich dann damit brüsten, die Spiele nach
Deutschland geholt zu haben. Unabhängig davon, die Sportwelt wäre
dankbar für eine Entscheidung im Sinne der Sportler – darum geht es
doch bei Olympia. Oder?

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Lothar Tolks
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