Südwest Presse Ulm, KOMMENTAR zu · GLÜCKSSPIEL,
Ausgabe vom 9.09.2010 Es ist ein Weckruf, der nicht unerwartet kommt:
Das Glücksspielmonopol, eine per Staatsvertrag juristisch zementierte
deutsche Festung inmitten Europas, ist gefallen – geschleift vom
Europäischen Gerichtshof. Doch sturmreif geschossen ist das deutsche
Regel-Bollwerk schon lange. Private Sportwetten an jeder Ecke,
Online-Wettbüros, Internet-Casinos: Eigentlich ist das alles illegal.
Doch in Grauzonen hat sich ein Millionengeschäft eingenistet, das
staatliche Monopolbetriebe immer mehr unterminiert. Das EU-Urteil ist
eine Chance, die völlig inkonsequenten deutschen Regeln zu
überarbeiten – eine Aufgabe, vor der sich die Politik bisher drückte.
Überfällig wäre es: Denn warum ausgerechnet die Spielvariante mit der
höchsten Suchtgefahr, nämlich Geldautomaten, nicht unter das Monopol
fallen, während etwa Sportwetten verboten sind, ist mit dem Ziel der
Suchtbekämpfung nicht zu erklären. Vielmehr liegt der Verdacht nahe,
dass die Länder bei dem Thema eher ihre Finanzinteressen im Blick
hatten – und nicht das Elend der Abhängigen. Doch wer bei der
Gesetzgebung auf Einnahmen der Lottobetriebe, Casinos und staatlichen
Wettanbieter schielt, hat vor den EU-Wettbewerbshütern schlechte
Karten. Ist das deutsche Spielmonopol mit neuen Gesetzen noch zu
retten? Theoretisch ja. Doch selbst wenn die neue Festung juristisch
standhielte: Im Internet würde sie weiter untergraben. Vieles spricht
dafür, die Zugbrücken kontrolliert zu senken.
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