Thüringische Landeszeitung: Angst der Abgeordneten / Kommentar von Florian Girwert zum Gesetz über die Diätenerhöhung der Bundestagsabgeordneten

Man wünscht sich, Joachim Gauck hätte die
Unterzeichnung des Gesetzes auf ewig verzögert. Dass die Abgeordneten
des Deutschen Bundestages ihre Diätenerhöhung mit seiner Unterschrift
künftig nach Thüringer Vorbild automatisch vollziehen – ohne den
Aufwand einer Abstimmung -, mag dem Parlament Arbeit sparen, ist aber
ziemlich dreist.

Anderswo handeln Gewerkschaften und Arbeitgeber die Löhne
miteinander aus – und Gerichte haben sogar geurteilt, dass davon am
Ende nur Gewerkschaftsmitglieder profitieren müssen. Wer sich als
Nicht-Mitglied in den Aushandlungsprozess nicht einbringt, muss nicht
mitgeschleift werden.

Der Bundestag hat nun per Gesetz entschieden, dass seine
Mitglieder immer profitieren werden, weil die Diäten künftig an die
allgemeine Einkommensentwicklung gekoppelt sind. Lobenswert daran ist
eigentlich nur, dass sich das Parlament künftig die dadurch gewonnene
Zeit hoffentlich nicht spart, sondern anderweitig sinnvoll verwendet.

Gleichwohl ist die Absicht dahinter überaus klar: Man will sich
einer immer wiederkehrenden Debatte entziehen, denn häufig fühlen
sich Abgeordnete unfair behandelt, sobald man ihre Diäten
hinterfragt. Hier geht es jedoch nicht um die Höhe der Diäten,
sondern um den Prozess, wie sie zustande kommen. Eine Debatte darum,
wie Volksvertreter bezahlt werden, sollte nach wie vor möglich sein.
Es ist auch nötig, damit Abgeordnete beim Geld nicht die Bodenhaftung
verlieren und ihre jährliche Erhöhung als selbstverständlich
hinnehmen, während man in der freien Wirtschaft alljährlich
Tarifverhandlungen oder gar einen Arbeitskampf führt, um am Ende mehr
Geld in der Tasche zu haben. Das Verständnis dafür könnte verloren
gehen.

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