Thüringische Landeszeitung: Der Biedermann – Alltagsrassismus aus Gauland-Sicht / Leitartikel von Gerlinde Sommer zu den rassistischen Äußerungen von AfD-Vize Gauland über den deutschen Fußball-Nationalspieler Boateng

Was für eine Aufregung darüber, dass einer sagt,
was nicht wenige denken, wenn man das Denken nennen will. In den USA
kümmert sich der Ku Klux Klan um die, die ein Problem mit dem dunklen
Nachbarn haben …

Aber jetzt nichts verwechseln: Natürlich hätte Herr Gauland nichts
gegen einen Nachbarn, der deutscher Nationalspieler ist. Hautfarbe
egal. Und einen deutschen Pass hat ein deutscher Nationalspieler
sowieso, das weiß Herr Gauland natürlich. Aber „die Leute“, sagt er,
die schätzten einen wie Herrn Boateng als Kicker, aber nicht als Mann
von nebenan…

Ich glaube das sofort – und schon gar wenn Herr Gauland das sagt:
Er, der Biedermann unter den Brandstiftern, hat dazu ausgiebig
Studien betrieben in den vergangenen Monaten. Er kennt solche
Menschen sicherlich aus vielen Gesprächen. Er trifft sie am Rande von
Pegida-Veranstaltungen, bei denen er mal guckt, was so geht an
Alltagsrassismus. Seine Partei ist sich noch nicht ganz einig
darüber, wie die Art Straße und der Parlamentsteil seiner Partei
zusammenwirken sollen. Er trifft die Menschen, die Herrn Boateng
verachten – als Nachbarn, als Menschen, aber nicht als Kicker –
gewiss im Umfeld der AfD, die manche Gestalt anzieht, die er
womöglich ungern als Nachbarn hätte.

Die Aufregung, dass Herr Gauland durch die Blume gesagt haben
will, er kenne Rassisten, wird sich legen. Schuldig geblieben ist er
allerdings die klare und deutliche Antwort auf die Frage, wie er mit
denen umgehen will, die er da so deutlich und durchaus mit Kenntnis
beschrieben hat. Ach nein, das ist ja jetzt gutmenschig gedacht. Es
herrscht ja Meinungsfreiheit – auch für die Brandstifter.

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