Thüringische Landeszeitung: Der Polit-Rocker – Kommentar zum Thema Steinbrück/Stinkefinger

Ach ja, der Peer – so mögen manche in der SPD
aufstöhnen. Da legt er in der Schlussphase des Wahlkampfes noch
einmal kräftig zu, punktet im TV-Duell, zieht in der ARD-Wahlarena
mehr Zuschauer als Merkel an. Und dann dies: Der „Stinkefinger“ als
non-verbale Antwort auf eine Frage nach seinen Kritikern.

Eltern verbieten ihren Kindern den „Stinkefinger“, tun sie es
doch, folgen Fernsehverbot oder sogar Taschengeldkürzung meist auf
dem Fuß. „Stinkefinger“ zeigt man nicht, das lernen die Kleinen. Es
ist eine Beleidigung. Wer einem Polizisten etwa den ausgestreckten
Finger zeigt, der wird zur Kasse gebeten. Und auch im Straßenverkehr
ist der „Stinkefinger“ tabu.

Steinbrück mag vieles im Sinn gehabt haben, als er sich gegen den
Rat seines Pressesprechers entschloss, das umstrittene Foto doch
freizugeben: Wenn er sich von der präsidialen Kanzlerin abheben
wollte, dann ist ihm jetzt jedenfalls gelungen. Mehr Polit-Rocker als
Kanzlerkandidat. Einigen unter den Jüngeren mag das ja gefallen, der
Mehrheit sicher nicht. Jemand, der ins Kanzleramt will, muss aus
anderem Holz geschnitzt sein. Kanzlerformat hat das Stinkefinger-Foto
jedenfalls nicht.

Manchmal entscheiden Gesten einen Wahlkampf. Im TV-Duell hat man
vergeblich auf einen solchen verbalen oder non-verbalen Ausrutscher
auf einer der beiden Seiten gewartet. Steinbrück zeigt seinen
Kritikern den „Stinkefinger“, jenen, die er auch während des
Wahlkampfes gerne abgebürstet hat. Es ist auch ein Stück der ihm
zugeschriebenen Arroganz.

Ach ja, der Peer – nein, so einfach ist es nicht. Diese Geste
verbietet sich einfach für jemanden, der Kanzler werden wollte.

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