Die Richterin betritt den Verhandlungssaal. Alle
erheben sich. Grußlos geht es zur Sache. Angestrebt hat die Klage
eine Erfurterin, die vom SED-Staat für ihren verzweifelten Versuch,
in die Freiheit zu gelangen, eingesperrt worden war. Um das zu
erreichen, hatte sie nichts weiter verbrochen, als sich in einem Auto
zu verstecken. Das alles aber spielt vor Gericht keine Rolle.
Verhandelt wird hier darüber, ob ein höherer Grad der Schädigung
angerechnet werden kann durch eine besondere berufliche
Betroffenheit. Kann er nicht – das ist schnell klar bei der
Verhandlung. Die Kausalität sei nicht gegeben, heißt es. Mag sein.
Aber muss eine Richterin so eiseskalt agieren? Ist es zu viel
verlangt, die Klägerin mal mit Namen anzusprechen? Ist es unzumutbar,
deutlich zu machen, dass es neben allen Gesetzlichkeiten, die es
selbstverständlich zu beachten gilt, auch ein Mitgefühl gibt –
selbst wenn sich dies nicht in ein Urteil ummünzen lässt?
Das sind nicht nur meine Fragen, nicht nur die Fragen der
Klägerseite… Das sind auch Fragen, die sich ein Beobachter stellte,
der auf Landesebene von Berufs wegen viel mit denen zu tun hat, die
wir SED-Opfer nennen. Eine Justiz, die neben Paragrafen auch
Menschlichkeit kennt, ist nicht schwach, auch nicht ungerecht. Eine
Richterin aber, die zum Kernthema der Angeklagten flapsig bemerkt „Es
ist wurscht!“, mag in der Sache recht haben. Angemessen aber ist das
nicht.
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