Thüringische Landeszeitung: Gefahr von Märtyrern / Kommentar von Matthias Benkenstein zu Ägypten

Hexenjagd-Stimmung in Ägypten: Mehr als 500
Muslimbrüder sind in Rekordzeit zum Tode verurteilt worden. Sie
sollen zwei Polizeistationen gestürmt haben, wobei ein Polizist ums
Leben kam. Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, doch stellt
es schon jetzt einen Tiefpunkt in der ägyptischen Justizgeschichte
dar, der dem Ansehen des Landes weiter schadet.

Der Richter hatte gar nicht die Zeit zu prüfen, wer für den Mord
verantwortlich war. Doch in diesem Fall ist das auch gar nicht so
wichtig. Schließlich waren die Angeklagten Muslimbrüder, die bei den
ägyptischen Eliten als Terroristen, als Staatsfeinde gelten. Aber
haben nicht auch Terroristen einen fairen Prozess verdient? Einen
Prozess, der demokratischen Grundsätzen genügt? Ein kurzer
Racheprozess mit 500 Todesurteilen kann jedenfalls keine Lösung gegen
Terrorismus sein.

Vielmehr besteht die Gefahr, dass aus den 500 Verurteilten 500
Märtyrer werden, die als Vorbilder für die nächsten Gotteskrieger
dienen könnten. So erreicht der Staat genau das Gegenteil von dem,
was er anstrebt. Hinzu kommt, dass man in Ägypten schnell als
Terrorist abgestempelt ist. Dafür muss man gar nicht in der
Muslimbruderschaft sein.

Es ist schwer einzuschätzen, wie es mit dem Land weitergeht. Seit
2013 ist Ägypten repressiver geworden, die Polarisierung ist extrem.
Kein Zeichen von Versöhnung oder Neuanfang. Im Laufe der kommenden
Woche wird damit gerechnet, dass Armeechef al Sisi seine Kandidatur
für die Präsidentenwahl bekannt gibt, die Ende Mai stattfinden soll.
Den enormen Erwartungen, die an ihn gestellt werden, wird er wohl
kaum gerecht werden können.

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