Thüringische Landeszeitung: Gleicher Stellenwert – Kommentar zur Thüringer Bildungspolitik

Die Erkenntnis, dass Schulnoten nicht alles über
einen jungen Menschen sagen, ist wahrlich nicht neu. So mancher
Handwerksbetrieb ist in den vergangenen Jahren schon gut damit
gefahren, nicht nur auf die Zeugnisse von Bewerbern zu schauen,
sondern – zum Beispiel bei einem Praktikum – zuvorderst auf deren
Fähigkeiten und Tugenden. Notgedrungen tun es ihnen in Zeiten des
Mangels an Lehrlingen und Fachkräften nun auch größere Unternehmen
gleich. Statt nach altem Muster zu sieben und sofort jene
auszusortieren, die nicht mit guten Noten glänzen, setzen sie darauf,
dass manche(r) sich eben in der Praxis als Perle erweist. Und mit
dem Selbstvertrauen, das er oder sie dabei tankt, über sich
hin-auszuwachsen beginnt.

Ob man deshalb ganz auf Schulnoten verzichten muss, darüber lässt
sich natürlich trefflich streiten. Doch es wäre schon ein
Fortschritt, wenn eine verbale Leistungseinschätzung, wie sie in
diesem Schuljahr für die Klassenstufen 3 bis 9 erstmals verbindlich
ist, den gleichen Stellenwert wie ein Zeugnis erlangt. Freilich
bedeutet das jede Menge Mehrarbeit für die Lehrer, die jeden
einzelnen Schüler, seine Stärken und Schwächen im Blick haben müssen.
Umdenken müssen aber auch so manche Eltern: Mit einem schnellen Blick
auf die Noten ist es dann nicht mehr getan. Und mit dem oft daraus
resultierenden Urteil auch nicht.

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