Thüringische Landeszeitung: Kafkaeske Justiz (Kommentar zum Fall Mollath)

Gustl Mollath ist kein Heiliger, kein
unbeschriebenes Blatt. Für das, was er verbockt hat, hätte er eine
Strafe verdient gehabt, so ist es Gerichtsakten zu entnehmen. Aber
weil die Richter ihn für unzurechnungsfähig hielten, wurde er für
sehr viel länger in die forensische Psychiatrie gesteckt, als diese
Strafe hätte ausfallen können. Schon das ist sehr fragwürdig in einem
Rechtsstaat, der sich nicht mit Ruhm bekleckerte, als Mollath,
störrisch und eigensinnig, um seine Freilassung kämpfte.

Mollaths Fall schürt die Ängste vieler Bürger, plötzlich wehrlos
zu sein, wenn man erst einmal in die gnadenlosen bürokratischen
Mühlen der Justiz geraten ist. Unschuldig gefangen in einem
kafkaesken juristischen System aus Bevormundung und Arroganz. Ein
System, das diffus bedrohlich ist und denjenigen bestraft, der eine
Kooperation mit Richtern und Ärzten ablehnt, obwohl dies theoretisch
sein gutes Recht ist.

Mollath legt mit seiner Halsstarrigkeit die Finger in die Wunden
eines reformbedürftigen Rechtssystems: psychiatrische Gutachter, die
ihre Beurteilungen skandalös nach Aktenlage fällen, Dauer von
Justizverfahren, die menschenunwürdig sind, zumal es um Freiheit oder
Unfreiheit eines Menschen geht. Angeblich überlastete Richter, die
den Eindruck erweckten, ihnen sei das egal. Man fragt sich: Wie viele
andere solcher Fälle gibt es, ohne dass sie Schlagzeilen machen?

Die Justiz wäre nicht die Justiz, wenn sie nach sieben Jahren
endlich rechtlich unanfechtbare Klarheit schaffte in der Frage, ob
der (vorerst?) Freigelassene in die Psychiatrie gehört oder nicht.
Die Chance auf einen neuen Prozess mit ungewissem Ausgang hat Mollath
erst im kommenden Jahr. Das Justiz-System ist marode und die Politik
nicht fähig zu Reformen.

Von Bernd Hilder

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