Thüringische Landeszeitung: Klasse Fehlleistung – Eskalation auf dem Schulhof war vermeidbar / Leitartikel von Fabian Klaus zum Prozessbeginn gegen einen Worbiser Gymnasialdirektor

Soweit musste es kommen: Er, der Schulleiter, sitzt
auf der Anklagebank. Ein Mädchen soll er grob angefasst haben. Es
gilt die Unschuldsvermutung, obwohl der Richter wörtlich sagt: „Er
hätte die Schülerin nicht so hart anfassen dürfen.“ Klingt nach
Vorverurteilung und manch findiger Rechtsanwalt hat derlei Sätze
schon zum Anlass genommen, Befangenheitsanträge zu stellen …

Und wofür das Ganze? Weil ein Schulleiter Angst hatte, den Kindern
eine Stunde, allenfalls zwei, zu gönnen, in denen ein Musiker, der
gerade angesagt ist, ein Schulhofkonzert gab. Während das im
Nachbarland Niedersachsen genauso wenig ein Problem darstellte wie in
Sachsen-Anhalt, wurden in Thüringen große Reden geschwungen und
Schüler stellten sich auf den Schulhof und streikten. Nein, das
durften sie nicht – das Schulgesetz sieht die Schulpflicht vor. Ein
Jahr ist seither vergangen. Gelernt hat offenbar bisher kaum jemand.
Der Schulleiter nicht, der in seiner Aussage das Wort
„Entschuldigung“ nicht über die Lippen brachte – und das zuständige
Ministerium nicht.

Es stellt eine klasse Fehlleistung dar, dass es nach einer solchen
Eskalation zu einem eigentlich lapidaren Thema immer noch keine klare
Regelung gibt. Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linke) war im
vergangenen Jahr an der Schule. Man kann ihr nicht vorwerfen, sich
nicht gekümmert zu haben. Aber das ist nur die eine Seite – das Thema
liegt nach wie vor halb fertig herum.

Die Eskalation war vermeidbar. Denn es ging hier nicht um ein
stundenlanges Popkonzert, sondern nur um eine kleine Abwechslung vom
Schulalltag. Mindestens in Deutsch und Englisch wäre die sogar mit
dem Unterricht verbindbar gewesen, indem man zum Beispiel einen
Liedtext des Sängers hätte analysieren lassen.

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