Thüringische Landeszeitung: Linke Realpolitik / Kommentar von Florian Girwert zum Europaparteitag der Linken

Dass die Linke ihren besonders EU-kritischen Flügel
so gut im Griff hat, überrascht. Eigentlich hätte man auf dem
Parteitag am Wochenende erwartet, dass der Streit um die Ausrichtung
der europäischen Staatengemeinschaft ein wenig heftiger ausfällt.
Doch dann wurde die besonders kritische Passage aus dem
Programmentwurf von den Ost-Realos einfach weggestimmt.

Also hat auch Ex-Kommunistin Sahra Wagenknecht endgültig gelernt,
Realpolitik zu machen. Mit einem Parteiprogramm, das nicht
EU-kritisch, sondern EU-feindlich formuliert gewesen wäre, hätte man
es in Zukunft recht schwer gehabt, die den Linken einigermaßen nahe
stehenden Parteien zur Zusammenarbeit zu überreden. Bei
Sozialdemokraten und Grünen ist die EU bei aller berechtigter Kritik
und allen Mängeln fester Bestandteil der politischen Überzeugungen.
Oft wird bei SPD und Grünen darauf verwiesen, dass die Linke auf
Bundesebene wegen ihrer außenpolitischen Positionen nicht
koalitionsfähig sei.

Dass sich die Partei nun von ihren ruppigsten Forderungen
distanziert – nachdem man den Programmentwurf erst einmal auf die
öffentliche Reaktion getestet hat – könnte ein Zeichen sein: Dieser
Hinderungsgrund für eine Zusammenarbeit wird kleiner.

Auf diese Weise wird auch die parteiinterne Verhandlungsmasse
kleiner, wenn es wirklich einmal um Koalitionen geht. Wenn sich von
vornherein keine allzu harten Forderungen mehr gegen die EU richten,
lassen sich andere Positionen leichter räumen – etwa jene, das
Sicherheitsbündnis Nato aufzulösen.

Pressekontakt:
Thüringische Landeszeitung
Chef vom Dienst
Norbert Block
Telefon: 03643 206 420
Fax: 03643 206 422
cvd@tlz.de

Weitere Informationen unter:
http://