Wer auf markige, kraftmeierische Worte steht, der
kam auch bei der neusten Rede zur Lage der Nation von Präsident
Wladimir Putin nicht zu kurz. Russland sei stolz und stark, lautete
der Tenor. Und so werde man sich nichts und niemandem beugen. Schon
Hitler sei an dem zähen russischen Volk gescheitert. „Müssen wir denn
erst daran erinnern, womit das endete?“, fragte Putin.
Neu ist diese Tonlage nicht, und mit all seinen vollmundigen
Versprechen klang seine Rede unterm Strich nach „Weiter so“. Doch
damit ist es mittlerweile nicht mehr getan, was man am Beispiel des
Chefs des einflussreichen Industriellenverbandes, Alexander Schochin,
festmachen kann. Während es für den Kremlchef gestern immer wieder
Applaus gab, klatschte der Wirtschaftsvertreter demonstrativ nicht.
Denn Putin bleibt schon lange wichtige Antworten schuldig. Etwa wie
angesichts der wachsenden Unzufriedenheit in der russischen
Bevölkerung der soziale Friede gewahrt oder die ausufernde Inflation
gezügelt werden kann. Es bleibt offen, wie Putin seine
Wachstumsversprechen angesichts einer drohenden Rezession erreichen
will. Rezepte, wie die hohe Abhängigkeit des Landes vom Ölverkauf
sinken könnte, gibt es nicht. Auch die Privatisierung ineffektiver
Staatsbetriebe und der Kampf gegen Korruption lassen seit Jahren auf
sich warten.
Russland und seinen Einwohnern stehen schwere Zeiten bevor, nicht
nur, weil jetzt der Winter einbricht. Es zeigt sich, dass sich der
Kremlchef besser auf außenpolitische Probleme einstellen kann als auf
die Lage der russischen Wirtschaft. Diese bricht zwar nicht zusammen.
Doch: Deren schrittweiser, kontinuierlicher Niedergang bedeutet das
Ende der angeblichen Unverletzbarkeit Putins.
Angesichts der fehlenden Hoffnung auf mehr Wohlstand, ist zu
befürchten, dass sich der Autokrat auf neue außenpolitische Abenteuer
einlassen könnte.
Pressekontakt:
Thüringische Landeszeitung
Chef vom Dienst
Norbert Block
Telefon: 03643 206 420
Fax: 03643 206 422
cvd@tlz.de