So geht das in der Politik, wenn es schlecht läuft:
Am Freitag noch die bejubelte Umfragekönigin, am Wochenende schon
mitten in einer selbst verursachten, wenig appetitlichen
Versorgungsaffäre. Ministerpräsidentin Lieberknecht wird es nicht
leicht haben, den Thüringern stichhaltig zu erklären, warum sie ihren
Vertrauten und Regierungssprecher im Range eines Staatssekretärs mit
dem finanziell privilegierten einstweiligen Ruhestand belohnte. Und
das, obwohl dieser vorher angekündigt hatte, einen lukrativen
Spitzen-Job beim Internet-Konzern Unister anzunehmen. Auch ansonsten
gab es keine Anzeichen für einen wirklichen Vertrauensverlust
Lieberknechts in ihren treuen Recken. Es ist ja menschlich, dass der
Begünstigte, Peter Zimmermann, beherzt nach dem gegriffen hat, was
ihm seine Chefin aus freien Stücken angeboten hat. Aber politische
Hygiene und Gespür für das moralisch Richtige hätten es geboten, den
Wechselentschlossenen ohne Pensionsanspruch selbst kündigen zu
lassen. Nun könnte die Versorgung des 37-Jährigen mit
Kurzzeit-Erfahrung im Staatsdienst bei angenommener
durchschnittlicher Lebenserwartung unter Umständen mehr als
anderthalb Millionen Euro kosten. Das wird Thüringens Steuerzahler
wenig amüsieren. Verschüttete Milch lässt sich nicht mehr hygienisch
rein in die Tüte zurückbringen, aber saubergemacht werden muss
trotzdem. Lieberknecht genießt bei den Thüringern große Beliebtheit
und, noch wichtiger in der Krise, hohes Vertrauen. Wenn sie nun
schnell handelt, kann ihr das dabei helfen, ihre Fehlentscheidung zu
korrigieren, ohne politisch Schaden zu nehmen. Dafür bleibt
eigentlich nur ein heilender Weg: Lieberknecht muss Zimmermann
umgehend aus dem hastig gewährten einstweiligen Ruhestand
zurückholen, was sie jederzeit kann. Der muss dann Verzicht üben und
selbst kündigen. Ansonsten wird er es auch als öffentliche
Galionsfigur von Unister sehr schwer haben, mit dieser
Pensions-Hypothek im Reisegepäck das angeschlagene Unternehmen aus
den negativen Schlagzeilen herauszukriegen. Natürlich könnten
Lieberknecht und Zimmermann versuchen, die Affäre auszusitzen. Aber
dann kann daraus schnell einer dieser eskalierenden Skandale werden,
die sich in der Politik schon an kleineren Kokeleien entzündet haben.
Weder Linke, FDP und Grüne noch der ständig lauernde
Koalitionspartner SPD werden sich ein Jahr vor der Wahl eine derartig
steile Traumvorlage entgehen lassen. Auch ihre eigene Partei, die
CDU, wird jetzt zwei Dinge von Lieberknecht erwarten: Einsicht und
Führungsstärke.
Von Bernd Hilder
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