Nun also wieder mehrere Tage Streik und damit
Stillstand auf der Schiene. Unternehmen, die auf Transporte
angewiesen sind, sind darüber ebenso wenig erfreut wie Millionen
Pendler, die deshalb umdisponieren müssen, nun mit Bus, Auto oder
Fahrrad zur Arbeit fahren werden. Manche werden gar sagen, GDL-Chef
Claus Weselsky nehme die Republik mal wieder in Geiselhaft.
Auf den zweiten Blick wirkt der Konflikt eher so, als könnten sich
zwei Alpha-Tiere – nämlich Weselsky und Bahn-Personalvorstand Ulrich
Weber – schlicht nicht mehr riechen. Das macht eine Einigung
schwierig. Doch das Problem sitzt tiefer. Im Wettkampf um Mitglieder
buhlen bei der Bahn – und ihren Wettbewerbern – zwei Gewerkschaften
um Mitglieder, die sich ebenfalls nicht leiden können. Potenziell
führt das dazu, dass es eine Spirale von Forderungen gibt, mit denen
man sich gegenseitig Mitglieder abspenstig machen will. Dass die
Forderungen mit Streiks durchgesetzt werden sollen, ist bei einem
Monopolisten wie der Bahn besonders bitter. Würde bei einer Firma,
die Glühbirnen oder Fernseher herstellt, ebenso viel gestreikt,
könnte die Firma direkt die Segel streichen. Die GDL weiß, dass es
zur Bahn kaum Alternativen gibt. Wer lange Wege hat – und kein Auto –
braucht die Schiene.
Folglich müsste in Bereichen, die für die Wirtschaft derart
unverzichtbar sind, eigentlich ein anderes Streikrecht gelten. Doch
diese Flanke hat der Bund 1994 mit der Bahnreform selbst geöffnet.
Nun versucht man im Arbeitsministerium, das Problem mit einem
Tarifeinheitsgesetz zu kitten, damit wenigstens nicht mehr zwei
Gewerkschaften übermäßig um die Gunst der Beschäftigten buhlen. Das
sehen viele Gewerkschafter – nicht zu Unrecht – als Angriff auf die
grundgesetzlich garantierte Koalitionsfreiheit. Es ist daher nicht zu
erwarten, dass der Konflikt diese Woche befriedet wird.
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