Thüringische Landeszeitung: Putin ohne Regeln / Kommentar von Bernd Hilder zur Ukraine-Krise

Das Pulverfass Ukraine taugt vor allem nicht für
vorschnelle Urteile. Anders als es Außenminister Steinmeier vermutet,
hat es nichts mit einem neuen Kalten Krieg zu tun, wenn Russland die
Interessen der russischen Mehrheit im Osten der Ukraine und auf der
Krim vertritt. Die Welt droht nicht erneut in einen demokratischen
und einen kommunistischen Block gespalten zu werden. Aber die Mittel,
zu denen der neue Zar Putin greift, sind absolut inakzeptabel. Mit
militärischer Gewalt eine Teilung der Ukraine zu betreiben, darf der
Rest der Welt Moskau nicht durchgehen lassen – eigentlich.

Die machtpolitische Realität ist ernüchternd: Die EU ist sowieso
zu schwach und zu heterogen, um Putin etwas entgegenzusetzen. Und
US-Präsident Obama ist zur Symbolfigur des internationalen
Autoritätsverlustes der letzten globalen Supermacht geworden.

Mit Blick auf die vielen Kriegstoten auf dem Balkan lässt sich
feststellen: Noch hat sich das politische Drama in der Ukraine nicht
zur schlimmsten Krise in Europa seit dem Fall der Mauer entwickelt.
Aber die Zeit wird knapp. Beide Seiten müssen Zugeständnisse machen.
Putin muss seine Soldaten zurückziehen, und die westlichen Führer
müssen ihr Dogma von der territorialen Unverletzlichkeit der Ukraine
endlich aufgeben. Wenn sich die russische Mehrheit auf der Krim und
im Osten des Landes von Kiew lösen will, warum nicht? Das Zerfallen
Jugoslawiens in mehrere Staaten hat viel Blutvergießen verhindert.
Und auch die Schotten dürfen darüber abstimmen, ob sie noch zu
Großbritannien gehören wollen.

Solch ein Referendum darf aber nicht unter den Kanonenrohren
russischer Panzer abgehalten werden. Sein Ergebnis wäre nicht
demokratisch zustande gekommen und damit anfechtbar. Will sich Putin
nicht zum Aussätzigen der internationalen Politik machen, muss es
diese Spielregeln beachten: Ausgang ungewiss.

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