Thüringische Landeszeitung: Tiger oder Bettvorleger? – Schäuble setzt sich nicht gegen Tsipras durch / Leitartikel von Bernd Hilder zu Griechenland

Die griechische Regierung von Alexis Tsipras backt
zunehmend kleine Brötchen. Beendet aber ist das unappetitliche
Polit-Gezocke um zusätzliche Subventions-Milliarden für Athen noch
lange nicht. Völlig offen bleibt bisher, ob die griechische
Reformliste für die Troika, die trotz Athener Wutausbrüchen de facto
weiterbesteht, tatsächlich von Reformwillen und der Bereitschaft
getragen ist, die griechischen Schulden zurückzuzahlen.

Der Verdacht liegt nahe, dass Athen nur wieder tricksen will, um
eine von den Arbeitnehmern der restlichen Euro-Zone bezahlte
Übergangsfinanzierung zu ergattern. Selbst wenn Tsipras und sein
Finanzminister Varoufakis irgendwann mehr Steuern eintreiben und
Korruption austrocknen sollten, könnten sie mit den dadurch
generierten Staatseinnahmen niemals ihre Wahlversprechen finanzieren.

Tsipras und sein Finanzminister Varoufakis haben in wenigen Wochen
so viel Vertrauen in Europa verspielt, dass ihnen ohne strikte
Kontrolle der internationalen Kreditgeber kein einziger Euro
überwiesen werden darf. Sollte es den geringsten Hinweis geben, dass
Tsipras Europa doch nur wieder hinter die Fichte führen will, müssen
Bundesregierung und Bundestag den Geldhahn zudrehen. Lieber ein
Schrecken mit Ende als ein Schrecken ohne Ende. Tsipras könnte seine
sozialistischen Experimente dann mit eigenem Geld, der Drachme,
fortsetzen. Käme Athen weiter mit seinen Vertragsbrüchen durch,
würden andere südliche Schuldenstaaten Ähnliches tun, und linke
Populisten hätten leichtes Spiel. Irgendwann wäre selbst Deutschlands
Finanzkraft aufgebraucht.

Erst nach einer realistischen Beurteilung der Athener Reformliste
wird sich herausstellen, ob Finanzminister Wolfgang Schäuble Tsipras
und Varoufakis mit Standhaftigkeit auf Normalmaß reduziert hat, oder
ob er als Tiger gestartet und als Bettvorleger gelandet ist.

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