Thüringische Landeszeitung: USA müssen umdenken / Kommentar von Hartmut Kaczmarek zu den deutsch-amerikanischen Beziehungen im Zeichen der Spionageaffäre

In Washington hat man den Gong offenbar immer noch
nicht gehört. Intern, zwischen den Geheimdiensten oder den
Regierungen solle man die Spionage-Probleme lösen, wird da von
höchster Stelle empfohlen. Nein, diese Phase ist längst
überschritten. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen sind auf einem
Tiefpunkt angelangt – wobei die Schuld nicht in Berlin liegt. Die
Bundesregierung hat lange, zu lange, gezögert, bis sie den
Amerikanern mit dem Rauswurf des obersten Spions gezeigt hat, wo es
langgehen muss.

Was Amerika derzeit betreibt, ist Wasser auf die Mühlen all
derjenigen, die Amerika schon immer alles Böse unterstellt haben.
Seit Edward Snowdens Enthüllungen, seit den Lauschangriffen auf
deutsche Bürger und der Spionage gegen deutsche Einrichtungen
bekommen all die Amerika-Kritiker wieder Oberwasser, bei denen die
Verteufelung Amerikas schon immer  zum  guten Ton gehört
hat.

In Washington will man auch jetzt noch nicht wahrhaben, dass
Deutschland nicht mehr das Land ist, das sich nach Belieben am
Gängelband führen lässt und bedingungslos Washingtoner Wünschen
gehorcht. Die Dankbarkeit der Deutschen für das, was Amerika nach dem
Krieg für den Aufbau im Westen geleistet hat, ist noch immer groß.
Aber die jungen Deutschen sind selbstbewusst genug, den Amerikanern
auch ihre Verfehlungen der jüngsten Zeit – vom Irak bis Afghanistan –
vorzuhalten. Das verstehen wir unter einem Dialog auf Augenhöhe.

Viele – auch in der Obama-Regierung – sind aber offenbar noch
immer dem Denken des Kalten Krieges verhaftet. Solange sie nicht die
Augen vor der neuen Realität von heute öffnen, wird es im
deutsch-amerikanischen Verhältnis immer weiter knirschen. Dabei gibt
es genug gemeinsame Werte, die es zu bewahren und zu verteidigen
gilt.

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