Verkehrte Welt: Während Angela Merkel beim Thema
Steuersenkung mit beiden Füßen auf der Bremse steht, profiliert sich
ihr Vize-Kanzler Sigmar Gabriel taktisch geschickt bei der
arbeitstätigen Bevölkerung. Der SPD-Chef und Wirtschaftsminister
fordert genauso wie viele CDU-Politiker, die in der Steuerpolitik mit
ihrer meistens in der Union diskussionsfrei durchregierenden
Parteivorsitzenden über Kreuz liegen, endlich die einkommensfressende
Kalte Progression zu entschärfen oder abzuschaffen.
Gabriels Absicht ist klar: Während die Merkel-Union konsequent
nach links gerückt ist und damit der Sozialdemokratie eine
inhaltliche Bastion nach der anderen genommen hat, soll im Gegenzug
die SPD in bürgerlichen Wählerschichten wildern. Gabriel weiß: Macht
er die SPD wie einst Gerhard Schröder nicht für Mittelstand und
Mittelschicht attraktiver, wird die Partei in Umfragen im
20-Prozent-Keller bleiben. Und zu Ende gedacht heißt das: Gabriel
kann höchstens von Gnaden der Linken sein Traumziel, die
Kanzlerschaft, erreichen.
Wie auch immer Gabriels Motive für die Dämpfung der Kalten
Progression sind: Seine Forderung ist richtig. Er muss aber auch
wissen: Setzt er sich nicht gegen Merkel durch, steht er als
Verlierer da – genauso wie all die Ankündigungspolitiker der Union,
die den Bürgern stets viel versprechen, auf Geheiß der Kanzlerin aber
regelmäßig in Serie umfallen. Geld für eine Steuersenkung ist da.
Noch nie hat der Staat soviel Steuern kassiert wie heute. Wegen des
Mindestlohns muss er zudem weniger ausgeben. Verschuldungskrise und
Russland-Sanktionen sind unabsehbare Risiken für die deutsche
Konjunktur. Deswegen muss der Staat endlich auch seine ausufernden
Ausgaben reduzieren. Das allerdings ist von der Großen Koalition kaum
zu erwarten. Das Trauerspiel um die Kalte Progression ist deswegen
noch längst nicht zu Ende.
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