tz München: Beschlüsse der Koalition: Kein großer Wurf, keine Gewinner

Wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel mal wieder den
Euro retten soll, dann warnt sie im Vorfeld davor, von ihr den großen
Wurf zu erwarten. Diese Warnung blieb vor dem schwarz-gelben
Koalitionsgipfel unausgesprochen, denn von CDU, CSU und FDP erwartet
ohnehin niemand besonders große Würfe. Dass die Koalition sich aber
nur auf einen solchen Fehlwurf einigen konnte, hätten wohl selbst
große Skeptiker nicht erwartet. In den Niederungen der Innenpolitik
wirkt Merkel mittlerweile völlig verloren, zerrieben zwischen CSU und
FDP, die nur noch „liefern“ wollen – wie es FDP-Parteichef Philipp
Rösler immer so schön ausdrückt. „Liefern“ – um jeden Preis – heißt
in dem Fall: Wenn Du mir 25 Euro Steuererleicherung gibst, dann
möchte ich meine 150 Euro Betreuungsgeld durchsetzen. Am Ende
funktioniert das – Parteitaktik ohne Rücksicht auf die Sinnhaftigkeit
des Beschlusses. Wahre Gewinner kennt dieser Koalitionsgipfel nicht.
FDP-Chef Rösler muss sich mit einer Mini-Steuererleichterung
zufriedengeben. Sechs Milliarden Euro weniger sollen es werden, im
Koaltionsvertrag hatten Union und FDP vor zwei Jahren noch satte 24
Milliarden Euro versprochen. Der jetzt gefundene Kompromiss ist also
allerhöchstens eine Teillieferung, den enttäuschten FDP-Anhang, der
den Liberalen in Scharen davongelaufen ist, wird Rösler so nicht
zurückholen können. CSU-Chef Horst Seehofer immerhin kann liefern.
Gegen großen Widerstand hat er das Betreuungsgeld durchgeboxt.
Bringen wird das der CSU aber rein gar nichts. Denn Eltern, die
bisher ihre Kinder daheim betreut haben, werden das weiterhin tun und
das Geld mitnehmen. Wer bisher seinen Nachwuchs in der Krippe
betreuen lässt, wird die 150 Euro nicht als Anlass nehmen, jetzt die
Kindererziehung daheim zu übernehmen. Stimmen für die CSU kann
Seehofer mit so einer Geldverschleudermaschine nicht gewinnen. Die
Kanzlerin sitzt bei all diesen Streitigkeiten zwischen den Stühlen,
und macht nicht den Eindruck, als wisse sie noch, wo die Reise denn
hingehen soll. Ihre Regierung ist so sehr damit beschäftigt, Ruhe in
das eigene Chaos zu bringen, dass sie nicht bemerkt, dass ihre
Beschlüsse dem Bürger so gut wie gar nichts bringen. Bis auf Weiteres
ist die Ruhe in den eigenen Reihen zwar wieder hergestellt, doch es
wird nicht lange dauern, bis sich die Koalition wieder im Klein-Klein
ihrer Selbstbespiegelung verliert. Die Kanzlerin, so viel kann als
sicher gelten, wird dann wieder auf europäischer Ebene glänzen. Dort,
wo größere Würfe möglich sind als in ihrer heimischen
Krach-Koalition.

Marc Kniepkamp

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