tz München: Die Methode Horst: Abgenutzte Drohung

Das erste, was Eltern ihren Kindern im Schwimmbad
einschärfen: Ruf nicht um Hilfe, wenn du keine Hilfe brauchst. Sonst
hilft dir keiner, wenn–s wirklich ernst wird. Der dauernde Hilferuf
nutzt sich ab – mit der Drohung eines Koalitionsbruchs verhält es
sich ähnlich. Auch sie nutzt sich ab. CSU-Chef Horst Seehofer scheint
jeder Anlass recht, um Kanzlerin Angela Merkel mit dem vorzeitigen
Koalitions-Aus zu drohen. Weil die Drohungen leer bleiben, verhallen
sie. Seehofer hätte Merkel am Freitag im Bundesrat das Vertrauen
entziehen können – ein Nein zum ESM wäre ein machtvolles Zeichen
gewesen. Seehofer hätte seine Bedenken zu Merkels Zugeständnissen
vortragen können. Stattdessen stimmt er in Berlin mit Ja und tritt
dann aus München nach. Mit seinen folgenlosen Sprüchen weicht der
CSU-Chef den drängenden Fragen aus. Wir brauchen jetzt eine Debatte
darüber, was für ein Europa wir wollen. Wer aber einerseits anderen
Ländern in den Haushalt reinreden will, kann nicht auf der anderen
Seite über einen „europäischen Monsterstaat“ schimpfen. Welches
Europa der CSU-Chef eigentlich will, bleibt vor lauter bereits
überschrittenen roten Linien leider im Ungefähren.

Marc Kniepkamp

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