Der 16. Workshop der Fachgruppe „Vorgehensmodelle“ der Gesellschaft für Informatik e.V. im April 2009 in Düsseldorf war ein voller Erfolg. 50 Fachleute aus Forschung und Praxis diskutierten an zwei Tagen, wie Manager durch so genannte Vorgehensmodelle IT- und andere Projekte besser organisieren und damit effektiver durchführen können. Insbesondere wurde von den Teilnehmern hinterfragt, ob ein Mehr an Formalismus zu besseren Ergebnissen führt. „Der Workshop hat anhand der neuesten Entwicklungen und Projekte aus unterschiedlichen Bereichen gezeigt, dass ein übermäßiger Formalismus die Durchführung von IT-Projekten hemmt,“ fasst Dr. Oliver Linssen, Geschäftsführer der Liantis GmbH & Co. KG, zusammen. In der Praxis versprechen vor allem die Verwendung agiler Ansätze bei der Projektdurchführung mehr Effizienz und Effektivität. Allerdings waren sich alle Teilnehmer einig, dass in sicherheitskritischen Bereichen aus Gründen der Durchgängigkeit und Nachvollziehbarkeit Formalismen bei der Durchführung von IT-Projekten einzuhalten sind.
„Der Workshop hat deutlich gemacht, dass die Organisation entscheidend ist für den Projekterfolg. Und das ist nicht nur in der IT so,“ sagt Dr. Oliver Linssen. Wesentliche Bedeutung für das Gelingen von IT-Projekten hat also der Faktor Mensch, worauf die Experten in ihren Vorträgen hinwiesen. „Weder durch den Einsatz einer Technologie, noch durch irgendwelche Werkzeuge werden Projekte erfolgreich zu Ende geführt oder scheitern. Projekte schlagen fehl, weil die Kommunikation nicht funktioniert, das Arbeitsumfeld schlecht oder das Projekt unzulänglich organisiert ist,“ macht Dr. Oliver Linssen deutlich. Die Idee der Vorgehensmodelle als Best Practise-Sammlung verhindert, dass jeder bei der Durchführung von IT-Projekten das Rad neu erfinden muss.
„Durch die Anwendung moderner Managementkonzepte bei der Organisation von Softwareentwicklungen sind vor allem kleinere Unternehmen in der Lage, Wettbewerbsvorteile gegenüber Großunternehmen zu erzielen,“ erläuterte Dr. Oliver Linssen in seinem Vortrag über agile Vorgehensmodelle. Demnach erfordern hochgradige Arbeitsteilungen auf der einen Seite hohen Koordinationsaufwand auf der anderen Seite. Dieser Aufwand kann durch verstärkte Selbstorganisation, höhere Arbeitsintegration und ständiges Hinterfragen von Formalismen reduziert werden. „Das erfordert natürlich entsprechend qualifizierte Mitarbeiter, die die Prozesse wirklich leben,“ sagte Dr. Oliver Linssen. Der Softwareentwickler und Lehrbeauftragte für das Management von IT-Projekten an der Universität Wuppertal weiter: „Hier sind ganz klar Unternehmen mit flachen Hierarchien im Vorteil, deren Mitarbeiter bestimmte Überzeugungen teilen.“
Der Tagungsband zum Workshop erscheint beim Aachener Shaker-Verlag (ISBN 978-3-8322-81090) und ist zu einem Preis von 49,90 EUR erhältlich. Weitere Informationen zur Veranstaltung und die Foliensätze der Vorträge finden Interessenten auf der Webseite der Fachgruppe „Vorgehensmodelle“ der Gesellschaft für Informatik e.V. unter www.vorgehensmodelle.de.
Den aktuellen Stand von Wissenschaft und Praxis stellten im Rahmen des Workshops der Fachgruppe „Vorgehensmodelle“ im Einzelnen vor:
Prof. Eckhart Hanser stellte in seinem Vortrag die Ergebnisse seiner Forschungsarbeiten an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Lörrach vor. Dort untersucht er in seinem IT-Labor das Rollenverhalten in Softwareentwicklungprojekten. Dr. Marco Kuhrmann erläuterte in seinem Vortrag über das V-Modell XT den aktuellen Stand der Weiterentwicklung des Bundesstandards für die Softwareentwicklung, an dem er selber aktiv beteiligt ist. Wolfgang Kranz von des EADS Deutschland zeigte, wie dieser Standard in seinem Unternehmen eingeführt wurde. Reinhard Höhn, KMA Knowledge Management Associates GmbH in Wien, stellte eine Erweiterung des V-Modells für das Business Engineering vor. Dr. Ralf Kneuper stellte mit CMMI-ACQ ein US-amerikanisches Vorgehensmodell für das Beschaffungswesen vor. Wie Vorgehensmodelle in großen Unternehmen durch entsprechende Werkzeuge unterstützt werden, zeigten Dr. Raymond Bimazubute von der DATEV und Martin Tappe von der DP IT Services GmbH. Dabei integriert der Ansatz der DATEV sogar Werkzeuge unterschiedlicher Hersteller. Prof. em. Gerhard Chroust stellte die Ergebnisse des SPIRE-Projekts vor, in dessen Rahmen vor zehn Jahren bei österreichischen KMU ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess eingeführt wurde. Prof. Roland Petrasch von der TFH Berlin hinterfragte in seinem Vortrag kritisch den Sinn und die Grenzen formaler Vorgaben am Beispiel von SPICE. Dr. Christa Weßel vom Institut für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin an der Johannes-Gutenberg Universität in Mainz erläuterte die hohe Bedeutung der Arbeitsbedingungen für den Projekterfolg.
Im Rahmen des Workshops wurde Dr. Oliver Linssen für die nächsten drei Jahre als Sprecher der Fachgruppe „Vorgehensmodelle“ der Gesellschaft für Informatik e.V. gewählt, die mit 25.000 persönlichen Mitgliedern die größte Vereinigung von Informatikerinnen und Informatikern im deutschsprachigen Raum ist. Der bisherige Sprecher Reinhard Höhn aus Wien übernimmt die Rolle des stellvertretenden Sprechers.