Versorgungsausgleich nach Tod des Ex-Partners

Versorgungsausgleich nach Tod des Ex-Partners
Versorgungsausgleich nach Tod des Expertners
 

Redaktion: Herr Kirchhoff, was versteht man eigentlich unter dem Versorgungsausgleich und warum gibt es ihn?

RA Helmut Kirchhoff: Der Versorgungsausgleich ist vereinfacht gesagt die Aufteilung der während einer Ehe erworbenen Rentenanwartschaften zwischen den geschiedenen Ehepartnern. Bei einer Scheidung werden sämtliche Rentenansprüche beider Ehegatten – seien es Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung, Beamtenpensionen, betrieblicher Altersvorsorge oder privaten Rentenversicherungen – erfasst und grundsätzlich hälftig geteilt. Dieses Verfahren ist gesetzlich vorgeschrieben (früher in §?1587 BGB, heute im Versorgungsausgleichsgesetz) und soll Gerechtigkeit schaffen: Beide Ex-Partner sollen gleichmäßig an den in der Ehe aufgebauten Altersversorgungen teilhaben, auch wenn einer z.B. wegen Kindererziehung weniger verdient oder weniger Rentenpunkte angesammelt hat. Kurz gesagt, es geht darum, nach einer geschiedenen Ehe die Rentenansprüche fair aufzuteilen, so wie man auch anderes gemeinsam Erwirtschaftetes aufteilt.

Redaktion: Was passiert denn mit diesem Versorgungsausgleich, wenn der Ex-Partner nach der Scheidung verstirbt? Bleibt die Rententeilung bestehen oder wird sie automatisch rückgängig gemacht?

RA Helmut Kirchhoff: Viele Betroffene glauben zunächst, dass sich die Rententeilung einfach erledigt, sobald der Ex-Partner stirbt – dem ist jedoch nicht automatisch so. Ist der Versorgungsausgleich einmal rechtskräftig durchgeführt worden, behält er im Grundsatz seine Wirkung auch nach dem Tod des Ex-Partners. Das bedeutet: Die Rente der ausgleichspflichtigen Person (also derjenige, der Rentenpunkte im Zuge der Scheidung abgegeben hat) bleibt weiterhin gekürzt, und die vom ausgleichsberechtigten Ex-Partner erhaltenen Rentenpunkte verbleiben auf dessen Versicherungskonto. Der spätere Tod des Ex-Partners hat zunächst keinen Einfluss auf die Höhe der jeweiligen Rente – jedenfalls nicht automatisch. Das hat auch der Bundesgerichtshof klargestellt: Der Tod eines geschiedenen Ex-Partners hebt den Versorgungsausgleich nicht von selbst wieder auf. Mit anderen Worten: Man bekommt nicht ohne Weiteres seine volle Rente zurück, nur weil der geschiedene Ehegatte verstorben ist.

Redaktion: Bedeutet das, dass der Ex-Partner quasi über sein Leben hinaus von meinem Rentenkonto profitiert?

RA Helmut Kirchhoff: Zunächst ja, es bleibt bei der ursprünglich vorgenommenen Rententeilung. Allerdings muss man genau hinschauen, wer in welchem Umfang tatsächlich profitiert. Wenn der Ex-Partner (der Ausgleichsberechtigte) verstirbt, erhält er selbst natürlich keine Rente mehr. Aber die Rentenpunkte, die ihm aus Ihrer Rente übertragen wurden, werden nicht automatisch an Sie zurückgegeben – sie bleiben auf dem Rentenkonto des Verstorbenen. Davon profitieren dann indirekt ggf. seine Erben: Beispielsweise erhalten Kinder des Verstorbenen eine Waisenrente, die aus dem Rentenkonto des Verstorbenen berechnet wird – dank des Versorgungsausgleichs fällt diese Hinterbliebenenrente für die Kinder unter Umständen etwas höher aus. Hätte der Ex-Partner wieder geheiratet, würde der neue Ehegatte eine Witwen- oder Witwerrente aus dem Rentenkonto des Verstorbenen beziehen (ebenfalls basierend auf den übertragenen Rentenpunkten). Sie selbst als geschiedener Ex-Ehepartner gehen hingegen in Bezug auf eine Hinterbliebenenrente leer aus – dazu kommen wir gleich noch. Wichtig festzuhalten: Ohne weiteres Zutun bleibt die durch den Versorgungsausgleich bewirkte Rentenkürzung also bestehen, auch wenn der geschiedene Ex-Partner bereits verstorben ist.

Redaktion: Gibt es denn Ausnahmen oder Möglichkeiten, den Versorgungsausgleich rückgängig zu machen oder die Rentenkürzung anzupassen, wenn der Ex-Partner stirbt?

RA Helmut Kirchhoff: Ja, in bestimmten Ausnahmefällen lässt sich tatsächlich eine Anpassung erreichen. Das Stichwort lautet „Anpassung wegen Tod“ gemäß Versorgungsausgleichsgesetz. Zwei typische Konstellationen sind hier wichtig:
1. Ex-Partner verstirbt, bevor er/sie ins Rentenalter kam: In diesem Fall kann der ausgleichspflichtige Ex-Partner (also derjenige, dessen Rente gekürzt wurde) die übertragenen Rentenanwartschaften zurückholen. Praktisch bedeutet das: Stirbt Ihr geschiedener Ehegatte noch vor Rentenbeginn, dürfen Sie beantragen, dass Ihre eigene Altersrente nicht mehr gekürzt wird. Der Gesetzgeber sagt hier: Wenn der Ex gar nicht mehr selbst in Rente geht, soll die zuvor erfolgte Rententeilung nicht zu Lasten des Überlebenden fortwirken.
2. Ex-Partner verstirbt nach Rentenbeginn, hat aber weniger als 36 Monate Rente bezogen: Auch dann besteht eine gute Chance, dass Sie die Kürzung Ihrer Rente stoppen können. Die Regel ist: Hat der verstorbene Ex-Partner weniger als 36 Monate lang eine Rente mit den übertragenen Rentenpunkten bezogen, kann man die sogenannte Rentenanpassung wegen Tod beantragen. Wird dem Antrag stattgegeben, erhält der ausgleichspflichtige Ehegatte ab dem Antragsmonat seine Rente wieder ohne die Abschläge des Versorgungsausgleichs ausgezahlt. Wichtig: Das gilt nur für zukünftige Rentenzahlungen – eine Nachzahlung für die vergangenen Jahre ist ausgeschlossen. Daher sollte man den Antrag so früh wie möglich stellen, um finanzielle Verluste zu vermeiden.
Diese beiden Fälle (Tod vor Rentenbeginn oder innerhalb der ersten 36 Rentenmonate) sind die klarsten Anpassungsfälle. In der Praxis erleben wir häufig, dass z.B. ein geschiedener Ehemann erfährt, dass seine Ex-Frau kurz nach Renteneintritt verstorben ist, sagen wir nach zwei Jahren Rente. Er kann dann beantragen, dass seine eigene Rente wieder ungekürzt gezahlt wird – und zwar beginnend ab dem Monat, in dem er den Antrag stellt. Dieses Verfahren ist relativ routinemäßig, solange die genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Man nennt das auch einen Rückausgleich beantragen.

Redaktion: Und wenn der verstorbene Ex-Partner länger als 36 Monate Rente bezogen hatte? Hat man dann gar keine Möglichkeit mehr, die Rententeilung neu zu regeln?

RA Helmut Kirchhoff: Je länger der Ex-Partner die übertragenen Rentenanteile genutzt hat, desto schwieriger wird es, eine Änderung zu erreichen. Grundsätzlich gilt: Ist die 36-Monats-Frist überschritten, entfällt dieser einfache Anpassungsanspruch zunächst. Aber selbst dann gibt es unter besonderen Umständen noch Optionen. Zum Beispiel, wenn die Scheidung nach dem 31. August 2009 erfolgte und der Versorgungsausgleich seither nie geändert wurde, kann man in bestimmten Fällen doch noch eine Neuberechnung beim Familiengericht beantragen. Hierbei muss jedoch eine wesentliche Wertänderung nachgewiesen werden. Das ist sehr technisch: Die Gerichte prüfen dann, ob sich die ursprünglichen Berechnungsgrundlagen so stark verändert haben (z.B. durch neue Rentenpunkte, Gesetzesänderungen wie zusätzliche Mütterrentenpunkte, etc.), dass eine Korrektur gerechtfertigt ist. Die Hürden dafür sind hoch – es müssen bestimmte Wertgrenzen überschritten sein. Ein Beispiel: In einem BGH-Fall von 2018 bekam ein Mann tatsächlich alle zuvor übertragenen Rentenanwartschaften zurück, weil sich im Nachhinein die Berechnungswerte erheblich geändert hatten. Solche Fälle sind aber die Ausnahme. Die Rechtsprechung – zuletzt ein BGH-Urteil aus 2025 – zeigt eher, dass ohne neue rentenberechtigte Hinterbliebene meist keine ausreichende Änderung der Umstände vorliegt. Faustregel: Wenn niemand mehr eine Rente aus den übertragenen Anrechten bezieht und schon einige Jahre vergangen sind, stehen die Chancen für eine komplette Rückgängigmachung des Versorgungsausgleichs leider schlecht. Jede kleine Unbill führt nicht zur Abänderung; die Gerichte wollen nur in wirklich gravierenden Fällen die alte Entscheidung “aufrollen”. Hier ist anwaltlicher Rat unerlässlich, um zu prüfen, ob im Einzelfall genug Veränderung eingetreten ist.

Redaktion: Angenommen, ich bin in so einer Situation – mein Ex-Partner ist verstorben – wie gehe ich konkret vor, um meine Rentenkürzung anzupassen? Muss ich das irgendwo beantragen?

RA Helmut Kirchhoff: Ja, unbedingt. Das Ganze passiert nicht automatisch, man muss selbst aktiv werden. Zunächst müssen Sie natürlich überhaupt Kenntnis vom Todesfall erlangen. Wichtig zu wissen: Keine Behörde informiert Sie automatisch, wenn der geschiedene Ex-Partner stirbt. Wenn Sie also erfahren (z.B. durch gemeinsame Bekannte oder die Kinder), dass Ihr Ex verstorben ist, sollten Sie umgehend prüfen, ob ein Anpassungsantrag in Betracht kommt. Zuständig ist in der Regel der entsprechende Versorgungsträger, oft die Deutsche Rentenversicherung. Ein formloses Schreiben mit Ihren Daten und der Versicherungsnummer des verstorbenen Ex-Partners reicht aus, um den „Antrag auf Anpassung wegen Tod“ zu stellen . Idealerweise fügen Sie einen Nachweis über den Tod bei (Kopie der Sterbeurkunde). Wie erwähnt, wirkt die Anpassung erst ab dem Monat nach Antragseingang, sodass Eile geboten ist.
Auch wenn kein Anwaltszwang für diesen Antrag besteht, rate ich dringend zu juristischer Beratung. Die Materie ist komplex und Fehler können dazu führen, dass der Antrag abgelehnt wird. Ein erfahrener Familienrechtsanwalt kann einschätzen, ob die Voraussetzungen in Ihrem Fall gegeben sind und wie man den Antrag begründet. Man möchte ja vermeiden, dass formale Fehler oder Fehleinschätzungen die Rückabwicklung vereiteln. Zusammenfassend: Selbst aktiv werden, schnell handeln und im Zweifel fachkundigen Rat einholen.

Redaktion: Kommen wir noch zum Thema Hinterbliebenenrente. Viele fragen sich, ob ein geschiedener Ehegatte Anspruch auf eine Witwen- oder Witwerrente hat, wenn der Ex-Partner stirbt. Was gilt hier?

RA Helmut Kirchhoff: Das ist ein wichtiger Punkt, der oft missverstanden wird. Grundsätzlich besteht nach einer Scheidung kein Anspruch auf Hinterbliebenenrente für den Ex-Partner. Mit der Scheidung endet das Versorgungsverbundsystem der Ehe – man ist ja gerade kein Ehepartner mehr, also gibt es normalerweise auch keine Witwenrente. Eine geschiedene Person wird rentenrechtlich wie ein unabhängiger Versicherter behandelt. Es gibt allerdings Ausnahmen in Sonderfällen: Etwa wenn die Ehe vor 1977 geschieden wurde und bestimmte Unterhaltsregelungen galten, kann ein Anspruch auf sogenannte Geschiedenen-Witwenrente bestehen. Das betrifft aber nur sehr alte Scheidungsfälle und ist heute kaum noch relevant.
Für die allermeisten heutigen Geschiedenen gilt: Keine Witwen-/Witwerrente vom Ex. Stattdessen hat der Gesetzgeber für geschiedene Personen mit gemeinsamen Kindern die Erziehungsrente geschaffen. Diese greift, wenn der Ex-Partner stirbt und man selbst ein minderjähriges Kind (gemeinsames Kind oder sogar ein vom Ex stammendes Stief-/Pflegekind) erzieht und unverheiratet geblieben. Die Erziehungsrente ist keine klassische Hinterbliebenenrente, weil sie aus dem eigenen Rentenkonto der erziehenden Person gezahlt wird, aber sie dient als eine Art Unterhaltsersatz. Sie erhalten damit finanziell Unterstützung, um sich um das Kind kümmern zu können, wenn der unterhaltspflichtige Ex verstorben ist. Viele kennen diese Leistung gar nicht. Ein Beispiel: Ihre geschiedene Frau verstirbt und Sie haben gemeinsam ein 10-jähriges Kind, das bei Ihnen lebt – dann können Sie Erziehungsrente von der Rentenversicherung bekommen, vorausgesetzt Sie haben selbst fünf Jahre in die Rentenkasse eingezahlt und nicht wieder geheiratet. Diese Rente entspricht ungefähr der Erwerbsminderungsrente in ihrer Höhe. Darüber hinaus erhalten, wie schon erwähnt, die Kinder des Verstorbenen Halb- oder Vollwaisenrente aus dem Konto des Verstorbenen. Aber Sie als Ex-Ehegatte gehen in der Regel leer aus, was die Hinterbliebenenrente angeht.

Redaktion: Zum Abschluss: Welche Tipps haben Sie für geschiedene Personen im Hinblick auf ihre Altersvorsorge, gerade vor dem Hintergrund eines möglichen Todes des Ex-Partners?

RA Helmut Kirchhoff: Mein wichtigster Rat ist: Planen Sie Ihre Altersvorsorge so, als würden Sie Ihre gekürzte Rente dauerhaft behalten. Man sollte nicht fest damit rechnen, dass man im Falle des Todes des Ex-Partners automatisch mehr Rente bekommt. Die Versorgungsabschnitte sind kompliziert, und wie wir besprochen haben, gibt es zwar Möglichkeiten einer Rentenanpassung, aber eben nur unter bestimmten Bedingungen. Rechnen Sie also zunächst konservativ mit Ihrer reduzierten Rente.
Wenn Sie geschieden sind, halten Sie sich informiert: Wissen ist Macht. Falls Sie vom Tod Ihres Ex-Partners erfahren, lassen Sie sich zeitnah beraten, ob ein Antrag auf Anpassung Aussicht auf Erfolg hat. Viele wissen gar nicht, dass so ein Antrag überhaupt existiert – oder sie erfahren erst Jahre später vom Ableben des Ex und verschenken wertvolle Zeit. Also: möglichst frühzeitig informieren, etwa über die Deutsche Rentenversicherung oder Ihren Anwalt, welche Schritte nötig sind.
Ein weiterer Tipp: Kommunikation in der Familie. Haben Sie gemeinsame Kinder, können diese Ihnen u.U. den Todesfall mitteilen. Oft ist das die einzige Informationsquelle, da keine amtliche Benachrichtigung an Ex-Partner erfolgt. Sprechen Sie vielleicht im Vorfeld – so makaber es klingt – mit volljährigen Kindern oder gemeinsamen Bekannten darüber, dass Sie im Fall der Fälle informiert werden möchten.
Zudem sollten geschiedene Personen regelmäßig prüfen, ob ihre eigene Altersvorsorge ausreicht. Durch den Versorgungsausgleich fehlt ja ein Teil der Rentenansprüche. Diesen Ausfall kann man z.B. durch private Altersvorsorge oder freiwillige Beitragszahlungen etwas ausgleichen, wenn man es sich leisten kann. So macht man sich weniger abhängig von Eventualitäten. Sollte dann später der Fall eintreten, dass man über den Anpassungsantrag die volle Rente zurückerhält, ist es schön – aber man hat im Vorfeld nicht alles darauf gesetzt.
Und abschließend: Scheuen Sie sich nicht, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen. Das Thema Rente nach Scheidung ist komplex. Ob es um die ursprüngliche Berechnung des Versorgungsausgleichs geht oder um eine Änderung nach Jahren – es lohnt sich, fachkundigen Rat einzuholen. Gerade bei Streitfällen (etwa wenn Sie glauben, der Versorgungsausgleich sei unfair berechnet worden, oder wenn Sie eine Rückabwicklung anstreben) kann anwaltliche Unterstützung den Unterschied machen, ob Sie erfolgreich sind oder nicht. Viele Kanzleien – so wie unsere – bieten Erstberatungen an, um die Lage einzuschätzen. Nutzen Sie diese Möglichkeiten.

Redaktion: Herr Kirchhoff, haben Sie Dank für das informative Gespräch. Damit haben geschiedene Leserinnen und Leser nun hoffentlich mehr Klarheit, was mit ihrem Versorgungsausgleich im Falle des Todes des Ex-Partners passiert und welche Schritte sie unternehmen können.