Der Versandhandel Amazon verstößt in seinem Werk
in Winsen (Luhe) offenbar gegen Arbeitnehmerrechte und den
Datenschutz. Das haben Recherchen des NDR Politikmagazins „Panorama
3″ ergeben. Im neuen Logistikzentrum von Amazon in Niedersachsen
arbeiten rund 2000 Mitarbeiter. Der Standort ist das erste
Logistikzentrum in Deutschland, das Transportroboter einsetzt. Es
gilt als hochmodern. Computer blenden den Mitarbeitern auf Monitoren
ein, welchen nächsten Arbeitsschritt sie auszuführen haben. Die
Arbeitsschritte werden registriert: Ist eine Aufgabe erledigt, folgt
die nächste. Amazon schreibt auf Anfrage des NDR: „Die dabei
erfassten Daten helfen den Mitarbeitern bei der Ausführung ihrer
Aufgaben und bei der akkuraten, pünktlichen Zustellung von
Kundenbestellungen.“ Nach Recherchen von „Panorama 3“ werden die
Daten aber auch zur Leistungskontrolle genutzt. Mitarbeiter bekommen
Zielvorgaben, zum Beispiel wie viele Arbeitsschritte sie in der
Stunde zu erledigen haben. Sie werden von Vorgesetzten angesprochen,
wenn sie die Zielvorgaben nur knapp oder nicht erreichen. Laut Amazon
halte sich das Unternehmen an geltende Datenschutzgesetze. Nach
Informationen des NDR hat die Landesbeauftragte für den Datenschutz
Niedersachsen, Barbara Thiel, jedoch ein aufsichtsbehördliches
Kontrollverfahren eingeleitet. Zu den Recherchen des NDR sagte Thiel:
„Das ist eine Leistungskontrolle, wenn z.B. die
Arbeitsgeschwindigkeit erfasst wird. Eine solche Leistungskontrolle
ist in der Regel unzulässig, wenn quasi jeder Handgriff überwacht und
ausgewertet wird.“ Amazon muss dazu nun bis kommende Woche Stellung
beziehen.
Amazon hat in seinem Logistikzentrum in Winsen zudem eine Vielzahl
an Kameras installiert. Überwacht werden die Mitarbeiter auch in den
Gängen und in einem Bereich, in dem die Spinde für die Arbeiter sind.
Amazon rechtfertigt diese Maßnahme, sie erfolge, „um Diebstahl
vorzubeugen“. Nach Auffassung des Arbeitsrechtlers Hajo Köhler ist
eine solche Überwachung nicht erlaubt: „Das ist völlig
unverhältnismäßig. Da müsste der Arbeitgeber ein berechtigtes
Interesse daran haben, dass der da guckt, da gibt es so ein
berechtigtes Interesse nicht. Das halte ich für absolut unzulässig.“
Nach Recherchen von „Panorama 3“ sind auch im Bereich der
Arbeitsplätze augenscheinlich Kameras installiert. Mitarbeiter gehen
davon aus, dass sie dauerhaft beobachtet werden. Amazon weist dies
mit dem Hinweis zurück, es gebe keine Kameraüberwachung an den
Arbeitsplätzen. Für Arbeitsrechtler Hajo Köhler ist es jedoch nicht
allein entscheidend, ob die Überwachung tatsächlich stattfindet oder
nicht: „Der psychische Anpassungsdruck wird dadurch nicht genommen.
Die Arbeitnehmer wissen nicht, ob die Kamera an ist oder nicht. Auch
das wäre ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht, der
unverhältnismäßig ist und damit unzulässig.“ Auch die
Datenschutzbeauftragte Thiel kritisiert nach den Recherchen die
Systeme bei Amazon. Wenn Mitarbeiter ständig überwacht würden, fände
„mit Sicherheit eine Form von Verhaltenssteuerung, von
Verhaltenslenkung statt.“ Und genau das sei der Punkt, der nicht
gewollt sei im Sinne des Grundrechtsschutzes.
„Panorama 3“: Dienstag, 12. Dezember, 21.15 Uhr, NDR Fernsehen
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