Vorrang von tariflichen Lösungen

Rede zu Erfahrungen bei der Zeitarbeit

25.b) Unterrichtung durch die Bundesregierung
Elfter Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes- Drs 17/464 –

Herr Präsident!Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fähigkeit zur Selbstkritik steht uns Politikern sicherlich gut an. Aber wenn es dazu führt, dass man das, was man einst selbst in eigener Verantwortung eingeführt hat, auf einmal in Bausch und Bogen verdammt, obwohl sich ein differenziertes Bild der Beurteilung anböte, dann schießt das sicherlich weit über das Ziel hinaus. Das ist ein Pro shy;blem, das Sie, Frau Kollegin Kramme, glaube ich, deut shy;lich gemacht haben. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei der SPD) Die Zeitarbeit bietet Chancen und Risiken. (Ren eacute; Röspel [SPD]: Mehr Risiken als Chan shy;cen! – Dr. Barbara Hendricks [SPD]: Uns geht es um die Chancen! – Weiterer Zuruf von der SPD: Missbrauch gibt es!) Sie ist nicht in Bausch und Bogen zu verdammen. Frau Kollegin Kramme, Sie müssten seit der letzten Ausschusssitzung wissen, dass jemand, der sich zu weit von der Wahrheit entfernt, befürchten muss, dass ich ihm mit den Fakten komme. (Beate Müller-Gemmeke [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das waren im Ausschuss aber keine Fakten! Das war Polemik!) Lassen Sie mich deswegen im Sinne der geschichtlichen Wahrheit darauf hinweisen, was Sie auch im Elften Be shy;richt der Bundesregierung zum Arbeitnehmerüberlas shy;sungsgesetz nachlesen können. Die Regelungen, die die Zeitarbeit betreffen, sind im Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 festgelegt worden. Dieses Gesetz war im Bundes shy;rat nicht zustimmungspflichtig. Es hat auch unsere Zu shy;stimmung nicht gefunden. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Es ging Ihnen nicht weit genug! Das ist die Wahrheit!) Das Zweite Gesetz ist ebenso wie das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit unserer Zustimmung im Bundesrat beschlossen worden. Das Erste Gesetz war nicht zustimmungspflichtig. Das haben Sie ganz allein gemacht. Der Bundesrat hat Ihnen die Bedingungen nicht diktiert. Sie sollten wenigs shy;tens zu dem stehen, was Sie ganz allein gemacht haben. Man wird hier doch wohl über Fakten berichten können. (Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord shy;neten der FDP) Wer sich vorurteilsfrei mit der Branche der Zeitarbeit auseinandersetzt, wird feststellen: Es gibt ein differen shy;ziertes Bild. Im Bericht der Bundesregierung wird deut shy;lich, dass der Aufbau von Zeitarbeit insbesondere in Großbetrieben häufig mit einem Aufbau von Stammbe shy;schäftigten oder zumindest mit einer konstanten Zahl von Stammbeschäftigten einhergegangen ist. Die Be shy;hauptung, dass es zu einem massiven Abbau von Ar shy;beitsplätzen bei der Stammbelegschaft gekommen ist, ist in Bezug auf die gesamte Branche sicherlich so nicht richtig. Wir sollten uns auch vor Augen führen, über welche Dimensionen wir hier eigentlich reden. Ich sage das vor dem Hintergrund dessen, was hier schon angeführt wurde. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heil? Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Nein, heute mal nicht, Herr Präsident. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Ich dachte, Sie sind für Fakten, Herr Kollege!) Ich finde es wichtig, den Zusammenhang darzustel shy;len. Dazu gehört die Erkenntnis, dass die Zeitarbeit weit davon entfernt ist, zu einem prägenden Element unserer Arbeitswelt zu werden. Wir hatten in der Spitze rund 800 000 Zeitarbeitnehmer. Diese Zahl ist in der Krise zu shy;rückgegangen. Wir sind froh, dass die Zeitarbeit schon mit dem Beschäftigungsaufbau wieder begonnen hat. Wir hoffen, dass alle anderen Branchen bald nachziehen werden. Es gehört zu den Fakten, dass etwa 1,25 Pro-mille der insgesamt Erwerbstätigen in der Zeitarbeit sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind und zusätz shy;lich Arbeitslosengeld II bekommen. Es gibt rund 600 000 Beschäftigte in der Branche. Knapp 10 Prozent davon erhalten aufstockende Leistungen. Das heißt, rund 50 000 Beschäftigte, darunter sehr viele Teilzeitkräfte, die zumeist aufgrund persönlicher Lebensumstände nicht länger arbeiten können oder wollen, bekommen zusätzlich Arbeitslosengeld II. Ich habe es schon an an shy;derer Stelle gesagt: In manchen Lebenssituationen sind 1,25 Promille eine Menge und auch zu viel. Aber nie shy;mand wird sagen können, dass eine solche Zahl die Ar shy;beitswelt in Deutschland prägt. Davon kann keine Rede sein. (Beifall bei der CDU/CSU) Es macht Sinn, in diesem Zusammenhang über grö shy;ßere Zahlen zu reden. Wie gesagt, 1,25 Promille der rund 40 Millionen Erwerbstätigen in Deutschland – zum Teil in Teilzeitarbeit – bekommen aufstockendes Arbeitslosengeld II in der Zeitarbeit. Es waren nie mehr als 2,6 Prozent aller Beschäftigten in der Zeitarbeits shy;branche tätig. Ich möchte auf Folgendes hinweisen: 60,6 Prozent der Zeitarbeitnehmer waren zuvor entwe shy;der länger als zwölf Monate nicht beschäftigt oder kurz shy;fristig nicht beschäftigt oder noch nie beschäftigt. Das heißt, über 60 Prozent der Menschen, die in Zeitarbeits shy;unternehmen Beschäftigung finden, waren vorher kurz shy;fristig nicht, lange nicht oder noch nie beschäftigt. Der überwiegende Teil der ehemaligen Zeitarbeitnehmerin shy;nen und Zeitarbeitnehmer befindet sich mittelfristig wei shy;terhin in Beschäftigung und nicht in Arbeitslosigkeit. Auch das gehört zur Realität in Deutschland. Auch das gehört zu den Chancen, die die Zeitarbeit bietet. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Herr Kollege, es gibt einen weiteren Wunsch nach ei shy;ner Zwischenfrage, diesmal von der Fraktion Die Linke. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Es wäre seltsam, wenn ich diese Zwischenfrage zu shy;ließe, nachdem ich eine Zwischenfrage der SPD nicht zugelassen habe. Vizepräsident Dr. h. c. Wolfgang Thierse: Okay. Dr. Ralf Brauksiepe, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Arbeit und Soziales: Ich bringe lieber meine Argumentation zu Ende. (Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Er lässt sich nicht stören, der Herr Staatssekretär! – Zuruf von der LINKEN: Fangen Sie doch überhaupt erst mal an!) Ich will deutlich sagen: Da, wo Missbrauch vorliegt – Missbrauchsfälle gibt es; darüber wurde bereits disku shy;tiert; die Bundesarbeitministerin hat sich dazu deutlich geäußert -, muss er bekämpft werden. Diese Bundes shy;regierung wird sich bei der Bekämpfung von Missbrauch von niemandem überbieten lassen. (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hubertus Heil [Peine] [SPD]: Wie denn? Wo denn?) Wir setzen aber weiterhin in erster Linie auf die Tarifver shy;tragsparteien. (Ren eacute; Röspel [SPD]: Auf welche denn?) Die Entwicklung, die wir jetzt haben, ist doch gut und richtig. Der Christliche Gewerkschaftsbund hat vor we shy;nigen Wochen mit seinem Tarifpartner einen Tarifvertrag abgeschlossen, der alle vom DGB in diesem Bereich ab shy;geschlossenen Tarifverträge übertrifft. Mittlerweile hat der DGB mit seinem Tarifpartner nachgezogen. Ich sage ausdrücklich für die Bundesregierung: Diese Entwick shy;lung begrüßen wir. Wir wollen keine Lohnspirale nach unten. Es ist gut, wenn sich die Tarifvertragsparteien bei den Löhnen nach oben überbieten. (Beifall bei der CDU/CSU) Mit diesem Trend hat der Christliche Gewerkschafts shy;bund begonnen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat nachgezogen. Das begrüßen wir ausdrücklich. Wir schließen nicht aus, als Gesetzgeber zu handeln, wenn es notwendig ist. Aber der Vorrang von tariflichen Lösun shy;gen gilt auch hier. Ich begrüße, dass wir bei den tarifli shy;chen Lösungen auf einem guten Weg sind. Herzlichen Dank. (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

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