Der Bundestag hat am gestrigen Donnerstag 
fraktionsübergreifend eine Subsidiaritätsrüge zum 
EU-Verordnungsvorschlag über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht 
verabschiedet. Hierzu erklären die rechtspolitische Sprecherin der 
CDU/CSU-Bundestagsfraktion Andrea Voßhoff und der zuständige 
Berichterstatter Jan-Marco Luczak:
   Alle Fraktionen des Bundestages sind sich einig: Der Vorschlag für
eine EU-Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht ist 
nicht mit dem Subsidiaritätsprinzip vereinbar. Danach sollen auf 
EU-Ebene nur dann Normen geschaffen werden, wenn die EU dafür eine 
Kompetenz hat und für die Regelung auf EU-Ebene überhaupt ein 
Bedürfnis besteht.
   Diese Voraussetzungen sind beim EU-Vorschlag über das Europäische 
Kaufrecht nicht beachtet. Daher ist es angezeigt, dass der Bundestag 
von der im Vertrag von Lissabon vorgesehenen neuen Rügemöglichkeit 
Gebrauch macht. Wir erwarten von der EU-Kommission, dass sie ihren 
Vorschlag noch einmal überprüft.
   Im Einzelnen: Der Bundestag ist aufgrund seiner besonderen 
Integrationsverantwortung verpflichtet, über die Einhaltung der 
Kompetenzverteilung zwischen Europäischer Union und Mitgliedstaaten 
nach den Europäischen Verträgen zu wachen. Dies schließt auch die 
Prüfung ein, ob bei einem konkreten Rechtssetzungsvorhaben die 
Voraussetzungen der Kompetenzgrundlage erfüllt sind.
   Wir sind der Auffassung, dass die in diesem Fall gewählte 
Rechtsgrundlage nicht tragfähig ist. Die Verordnung über das 
Gemeinsame Europäische Kaufrecht errichtet eine eigenständige 
europäische Vertragsrechtsordnung, die neben das Recht der 27 
Mitgliedstaaten tritt. Hierin liegt gerade keine Angleichung der 
nationalen Rechtsvorschriften, wie es die betreffende Kompetenznorm 
aber ausdrücklich voraussetzt. So hat auch der Europäische 
Gerichtshof in einem vergleichbaren Fall entschieden, dass der 
Rückgriff auf diese Rechtsgrundlage ausscheidet.
   Die Prüfung der Kompetenz ist aus unserer Sicht hier besonders 
bedeutsam, da der Verordnungsvorschlag bei den Verhandlungen im Rat 
nach der gewählten Rechtsgrundlage nicht dem Prinzip der 
Einstimmigkeit unterliegen würde und der Bundestag nicht das vom 
Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang verlangte Gesetz zu 
verabschieden hätte.
   Darüber hinaus haben wir aber auch zahlreiche Bedenken in der 
Sache. Wir meinen, dass es schon keinen echten Bedarf für ein 
Gemeinsames Europäisches Kaufrecht gibt. Zudem sind wichtige 
Funktionsbedingungen für ein solches einheitliches Vertragsrecht in 
Europa nicht gegeben. Insbesondere gibt es keine europäische 
Zivilgerichtsbarkeit, die die abstrakten Rechtsvorschriften anwenden,
auslegen und für die nötige Rechtssicherheit zugunsten von 
Unternehmen und Verbraucher sorgen kann.
   Mit der Subsidiaritätsrüge greifen wir daher auch Bedenken auf, 
die europaweit von Verbraucher- und Unternehmensverbänden geäußert 
werden.
Hintergrund:
   Die Europäische Kommission hat am 11. Oktober 2011 einen Vorschlag
für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über 
ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht vorgestellt. Gegenstand dieses
Vorschlages ist die Einführung einheitlicher Vorschriften über 
Kaufverträge, Verträge über die Bereitstellung digitaler Inhalte und 
Verträge über damit zusammenhängende Dienstleistungen  einschließlich
von Regeln über das Zustandekommen, vorvertragliche 
Informationspflichten, Widerruf, Anfechtung und Auslegung. Diese 
einheitlichen Rechtsvorschriften sind als fakultatives Instrument 
gedacht, d.h. die Vertragsparteien können sich freiwillig auf die 
Anwendung des Europäischen Kaufrechts verständigen. Der Vorschlag 
wird auf die Kompetenzgrundlage des Artikels 114 des Vertrages über 
die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) gestützt, der im Rat 
Mehrheitsentscheidungen ermöglicht.
   In einer Expertenanhörung, die der Rechtsausschuss des Bundestages
am 21. November 2011 zum Verordnungsvorschlag über ein Gemeinsames 
Europäisches Kaufrecht durchgeführt hat, war die große Mehrheit der 
Sachverständigen der Auffassung, dass auf Artikel 114 AEUV nicht 
zurückgegriffen werden kann. Allenfalls könnte der Vorschlag auf 
Artikel 352 AEUV gestützt werden; Beschlüsse des Rates auf dieser 
Grundlage können aber nur einstimmig gefasst werden. Zudem muss der 
Bundestag hier gemäß § 8 des Integrationsverantwortungsgesetzes vor 
der Zustimmung der Bundesregierung im Rat ein Gesetz verabschieden.
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