Nur wenige Monate nach dem Rücktritt von Margot 
Käßmann verliert die evangelische Kirche eine zweite profilierte und 
prominente Frau in einem Spitzenamt. Es sind ungewöhnliche Zeiten für
die Kirche. Doch die beiden Rücktritte können nicht mit einander 
verglichen werden. Es geht um ganz unterschiedliche Verfehlungen. 
Hier geht es um den – nicht geklärten – Vorwurf, einen 
Missbrauchsfall nicht intensiv genug verfolgt zu haben. Bei Margot 
Käßmann war es eine Autofahrt unter Alkoholeinfluss.
   Doch eines verbindet sie beide und auch den Fall des katholischen 
Bischofs Walter Mixa: Leitende Geistliche müssen sich selbst vor 
aller Öffentlichkeit an den moralischen Ansprüchen messen lassen, die
sie nach außen vertreten. Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, 
möchte man meinen. Doch die Vergangenheit lehrt, dass dies allzu oft 
frommes Wunschdenken war.
   Diese Rücktritte zeigen aber, dass die Kirchen endlich erkannt 
haben, worum es geht. Sie bewegen sich. Eine gute Entwicklung.
   Der jüngste Rücktritt zeigt aber auch, dass der Missbrauch nicht 
vor weltlichen Einrichtungen und auch nicht vor Konfessions-Grenzen 
Halt macht. Es ist nicht der Zölibat und nicht die demokratisch 
strukturierte Kirche – es ist vor allem das systematische Versagen 
gegenüber den Opfern, das Missbrauch gedeihen lässt.
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