WAZ:Ägyptens Notstand. Kommentar von Gudrun Büscher

In Ägypten herrscht der Ausnahmezustand. Nein, nein
– nicht wegen der Demonstrationen. Er herrscht seit 30 Jahren. Und
sieht man von der Unterbrechung von 18 Monaten 1980 und 1981 ab, dann
herrscht er dort seit 1967. Präsident Mubarak hat die
Notstandsgesetze kürzlich erst bis 2012 verlängert. Sie geben Polizei
und Geheimdiensten weitreichende Befugnisse. Seit 1981 regiert
Mubarak den Notstand. Verbessert hat sich nichts. Dass die Menschen,
angespornt durch die furchtlosen Tunesier, auf die Straße gehen – wen
kann das wundern?

Doch Ägypten ist ungleich schwieriger als Tunesien. Hätte es am
Nil keine manipulierten, sondern freie Wahlen gegeben, die
Muslimbrüder wären ein entscheidender Machtfaktor geworden. Sie
halten sich bei den Protesten auffallend zurück. Und es besteht die
Gefahr, dass Ägypten von der Mubarak-Diktatur in eine islamistische
stolpert. Sicher ist das nicht. Ob Mohammed El Baradei aber als
Galionsfigur des Widerstandes taugt, ist auch nur eine Hoffnung. Der
Ägypter, der als Chef der Atomenergiebehörde den Friedensnobelpreis
bekam und sich heute den Protesten in seiner Heimat anschließen will,
hätte das Format dazu.

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