WAZ: Agententausch in Wien – Entspannung – Leitartikel von Joachim Rogge

Der spektakulärste Agentenaustausch seit dem Ende
des Kalten Krieges ist über die Bühne gegangen. Weder Washington noch
Moskau hatten Interesse, dass sich die Agentenposse zu einer
dauerhaften Belastung der gegenseitigen Beziehungen entwickelt. Die
russischen Spione nach Enttarnung schnell abzuschieben, war für den
US-Präsidenten ein eleganter Weg, sich ein Problem vom Hals zu
schaffen, das für Obama vor allem innenpolitischen Sprengstoff barg.
In Kürze beginnt der US-Senat mit seinen Beratungen über den neuen
amerikanisch-russischen Start-Vertrag. Russische Spione, die das
politische Klima im zuweilen hysterischen Land vergiften, sollen aus
Obamas Sicht die noch unsichere Annahme dieses Vertrages nicht
torpedieren dürfen. Moskau dürfte das ähnlich sehen. Die aufwändige
Aktion, dem Feind von gestern und erklärtem Partner von heute gleich
zehn Agenten ins Nest zu setzen, war ein Verlustgeschäft ohne jeden
Erkenntnisgewinn. Dass beide Präsidenten den Deal im Eiltempo
absegneten, zeigt, dass die Drähte zwischen Moskau und Washington
auch in Spannungszeiten funktionieren. Pragmatisch und schnell werden
Probleme gelöst, die sich in den früheren, kalten Zeiten zu
ernsthaften Belastungen ausgewachsen hätten.

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