WAZ: Aufruhr in der Kirche. Leitartikel von Angelika Wölk

Unter dem einigenden Dach der Peterskuppel in Rom
gärt es. Katholiken begehren auf. Viele von ihnen sind von dem
Skandal um den sexuellen Missbrauch durch Geistliche tief erschüttert
und verunsichert; darüber, wie die Kirche in früheren Jahren damit
umgegangen ist, wie vertuscht und verharmlost wurde. So viele
Menschen wie nie zuvor haben sich deswegen von ihrer Kirche
abgewendet.

Es stimmt, der Papst, die Bischöfe hierzulande haben lobenswert
angemessen auf die Verbrechen reagiert. Viel ist geschehen, das darf
nicht klein geredet werden. Aber Entscheidendes fehlt.

Sie alle, Papst wie Bischöfe, hatten versprochen, dass es nun ein
Umdenken geben werde. Ein breiter Dialog-Prozess wurde angekündigt.
Aber immer, wenn jetzt konkrete Forderungen auf den Tisch kamen,
wurden sie abgebügelt.

Da war die Initiative einiger CDU-Politiker aus Berlin, die eine
Öffnung des Zölibats, die Zulassung auch von verheirateten Priestern
forderten; die katholischen Frauen, die an die Würzburger Synode von
vor 40 Jahren erinnerten, in der schon Reformen angemahnt wurden.
Ihre Empörung darüber, vom Amt in der Kirche auf ewig ausgeschlossen
zu bleiben, wird von einigen (nicht von allen) im Kreis der
Soutanenträger anscheinend gar nicht mehr ernst genommen. Wie lange
soll das noch so gehen? Und nun haben mehr als 150
Theologie-Professoren den Reform-Stau in der Kirche angeprangert.
Will die Kirche über alles hinweg sehen? Weiter so?

Aber so einfach sollten es sich Bischöfe, sollte es sich der Papst
nicht machen. Schließlich hat er noch einen weiteren Titel: Pontifex,
Brückenbauer. Dieser Titel besagt, dass der Papst alle Kräfte in der
Kirche integrieren sollte; die konservativen, die ultrakonservativen,
die fortschrittlich gesinnten Gläubigen. Die Konservativen brauchen
sich über mangelnden Einfluss in Rom nicht zu beklagen. Und mit
welchem Einsatz ultrakonservative Kräfte integriert werden, konnte
die Welt bei der Pius-Bruderschaft beobachten. Es wird Zeit, dass
Benedikt auch auf die Fortschrittlichen zugeht. Es könnte sonst
irgendwann einmal keiner und keine von ihnen mehr zur Kirche gehören.

Fazit: Der Reform-Druck wächst beständig. Um der Einheit der
Kirche willen sollten Bischöfe und der Papst das nicht länger
ignorieren.

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