WAZ: Berggruens Entfremdung. Kommentar von Thomas Wels

Wahrscheinlich war die Liebe aus dem Sommer 2010 der
Anfang eines größeren Missverständnisses. Die Politik, die
Beschäftigten und Verdi, sie feierten den smarten Milliardär Nicolas
Berggruen als Retter von Karstadt und 25000 Jobs. Worüber in
Vergessenheit geriet, dass das Unternehmen am Abgrund stand und eine
Rettung erstmal gelingen muss, bevor man sie feiert. Das zweite
Missverständnis verbirgt sich hinter der Doppelrolle des Nicolas
Berggruen, der sich mehr als Mäzen, Förderer von Politik und Kultur,
als Weltenretter sieht denn als Karstadt-Retter. Und sich dazu einer
urkapitalistischen Finanzholding bedient, die eben das tut, was
angelsächsische Finanzinvestoren so tun: knallhart Geschäfte machen.
So musste es irgendwann zur Entfremdung kommen. Denn man kann nicht
eine von Fairness und Verlässlichkeit geprägte Ethik des Investierens
für sich in Anspruch nehmen, zugleich aber beiseite stehen, wenn die
Holding bis zu zwölf Millionen Euro im Jahr für Markenrechte aus
Karstadt rauszieht. Schon gar nicht, wenn man den Beschäftigten
weitere Opfer abverlangt.

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