Die Franzosen nennen es Déformation professionelle.
So eine beruflich bedingte Unart zeigt die Politik im Umgang mit
Ägypten. SPD-Mann Martin Schulz bringt es auf den Punkt: „Überall
hört man von großer Sorge, nirgendwo von großer Freude.“ Den
Außenpolitikern kann man nicht verübeln, dass sie die
geostrategischen Überlegungen im Auge haben. In der Politik scheint
aber keiner dazu fähig, den Freiheitsdrang mitzufühlen. Seit 2001
steht die arabische Welt unter dem Generalverdacht des Terrors; die
Angst davor erklärt die stereotype Reaktion. Die Geschichte hat uns
gelehrt, was mit einem Regime passiert, dessen Zeit gekommen ist.
Aber wenn es so weit ist, verfallen wir in alte Denkmuster. Und dann
ruft die Kanzlerin bei Mubarak an. Warum ließ sie sich nicht zu El
Baradei durchstellen? Die kollektive Freudlosigkeit verrät:
schlechtes Gewissen. Die Fischers, Steinmeiers und Westerwelles haben
sich im Kairoer Präsidentenpalast die Klinke in die Hand gedrückt.
Klar, dass man sich schwer tut, den „Mann großer Weisheit“
(Westerwelle über Mubarak) einen Despoten zu nennen. Eigentlich wäre
jetzt die große Stunde des Außenministers. Eigentlich.
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