WAZ: Bibelforscher Thomas Söding: Papst-Kapitel zum Prozess Jesu theologisch und politisch äußerst brisant

Der Vorabdruck aus dem neuen Papst-Buch über Jesus
von Nazareth sorgt schon vor seinem offiziellen Erscheinen für
Aufmerksamkeit. In den veröffentlichten Kapiteln geht es auch um den
Prozess. Der renommierte Bibelwissenschaftler Thomas Söding,
Professor für Neues Testament an der Ruhr-Universität Bochum, hält
dieses Kapitel für „theologisch und politisch äußerst brisant“. „Es
geht schließlich um die Frage nach der Schuld am Tod Jesu. Und da
gibt es die lange ungute Tradition, Juden als Gottesmörder
hinzustellen. Daraus leitete man Jahrhunderte lang furchtbare Exzesse
von Gewalt gegen Juden ab“, sagte er den Zeitungen der Essener WAZ
Mediengruppe.

Zwar seien die Erkenntnisse des Papstes nicht neu. Die Kirche habe
sich seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil intensiv mit der Frage
auseinander gesetzt, in wieweit die Evangelien dem Antisemitismus
Nahrung gegeben haben könnten. Und sie habe diesen Verdacht deutlich
widerlegt. „Genau in diese Richtung geht auch das Kapitel des
Papst-Buches“, erklärt der Wissenschaftler, der auch Mitglied der
Internationalen Theologen-Kommission im Vatikan ist. #Im Zusammenhang
mit der Affäre um die umstrittene Pius-Bruderschaft erhalte es aber
eine besondere Bedeutung. Benedikt XVI. hatte 2009 die
Exkommunikation von vier Traditionalisten-Bischöfen aufgehoben, unter
ihnen war Richard Williamson, der den Holocaust leugnet. Damals wurde
auch der Verdacht laut, Benedikt könne insgeheim vielleicht mit
solchen Gruppierungen sympathisieren. „Dieses Kapitel zeigt nun aber
ganz deutlich: Das trifft auf gar keinen Fall zu.“

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