Nur kurz war sie, die Vorfreude des künftigen
Bundespräsidenten auf sein neues Amt. Schon einen Tag nach seiner
Nominierung war Frank-Walter Steinmeier wieder in der harten Realität
angekommen. Sein türkischer Amtskollege Mevlüt Cavusoglu
überschüttete den Deutschen in Ankara mit heftigen Vorwürfen – und
der hielt, völlig untypisch für ihn, hoch erregt dagegen.
Die Verfolgung Andersdenkender, die Unterdrückung der Presse, die
Debatte um die Todesstrafe: Es gibt gute Gründe, die Zustände in
Erdogans Reich massiv zu kritisieren. Doch die türkische Regierung
keilt grob zurück – und sie bedient sich dabei skrupellos der
nationalistischen Karte, appelliert plump an den „Stolz“ der Türken,
verbittet sich jegliche Einmischung von außen. Das fatale dabei: Je
lauter die Hardliner um Erdogan pöbeln, desto größer wird zurzeit die
Schar ihrer Anhänger.
Chauvinismus ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal der Türken. Es
ist exakt die Politik, die im Westen mehr und mehr um sich greift: in
Polen, in Ungarn, in Großbritannien, in Trump-Amerika. Und es ist die
Politik, mit der auch die Populisten in Deutschland auf Wählerfang
gehen. Wahrlich besorgniserregende Aussichten.
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