WAZ: Das Böse und der Biedermann – Kommentar von Rolf Potthoff

Kriminaltechnisch ist Mircos Mörder überführt. So
findet eine schreckliche Tat ihr Ende und der Alltag zieht wieder ins
Land. Oder? Nein, dieser Fall bleibt verstörend, weil er so gar nicht
„gängigen“ Vorstellungen von Verbrechen und Verbrechern entspricht.
Weil hier ein normaler Mann aus einem bürgerlichen Milieu mit
biederem Heim zu Werke ging. Kein Killer, sondern Angestellter in
Hemd und Krawatte wie der Nachbar von nebenan. Was verstört, ist die
scheinbare Normalität, die Verbrechen verbirgt. Es ist, wenn ein
Zitat aus einer anderen Zeit zu gebrauchen erlaubt ist, die Banalität
des Bösen. Nicht minder erschreckt, wie kalt ein Mensch mit dem
Grauen umgehen kann; wie er wahllos ein Kind herausgreift, ermordet
und wegwirft wie später das Handy. Stress-Frust wollte er ablassen,
einfach so – soviel war diesem „Normalen“ ein Leben wert. Das ist das
Beklemmende, was von Mircos Tod bleibt. Und die bittere Einsicht,
dass es kein Mittel gibt, um solche Taten zu verhindern. Schärfere
Strafen? Unsinn; die halten solche Täter nicht ab. Eine humanere
Arbeitswelt verlangen, damit sich kein Stress aufbauen kann? Bloß
gutmenschelnde, weltfremde Blauäugigkeit. Und so bleibt das Gefühl
ohnmächtiger Hilflosigkeit – doch wenigstens mit der Gewissheit, dass
diesmal der Täter gefasst ist und der Strafe entgegensieht.

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